An Mignon

Zweite Fassung

D 161 Opus 19 - 2

Johann Wolfgang von Goethe 1749 - 1832

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Boris Cepeda - Klavier

Aufnahme: Mittwoch, 14. Januar 2009 | Berlin

Liedtext

Über Tal und Fluß getragen,
Ziehet rein der Sonne Wagen.
Ach, sie regt in ihrem Lauf,
So wie deine, meine Schmerzen,
Tief im Herzen,
Immer morgens wieder auf.

Kaum will mir die Nacht noch frommen,
Denn die Träume selber kommen
Nun in trauriger Gestalt,
Und ich fühle dieser Schmerzen,
Still im Herzen
Heimlich bildende Gewalt.

Schon seit manchen schönen Jahren
Seh ich unten Schiffe fahren,
Jedes kommt an seinen Ort;
Aber ach, die steten Schmerzen,
Fest im Herzen,
Schwimmen nicht im Strome fort.

Schön in Kleidern muß ich kommen,
Aus dem Schrank sind sie genommen,
Weil es heute Festtag ist;
Niemand ahnet, daß von Schmerzen
Herz im Herzen
Grimmig mir zerrissen ist.

Heimlich muß ich immer weinen,
Aber freundlich kann ich scheinen
Und sogar gesund und rot;
Wären tödlich diese Schmerzen
Meinem Herzen,
Ach, schon lange wär ich tot.

Johann Wolfgang von Goethe
Ölgemälde 1834 von Johann Josef Schmeller
Wikimedia.org - Public domain

Zum Text

Die Figur der Mignon stammt aus Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre. Mignon erscheint dort in androgyner Gestalt. Wilhelm ist sich nicht sicher, ob es sich um ein Mädchen oder einen Jungen handelt.
Anders jedoch handelt es sich beim vorliegenden Gedicht, wie Eduard Engel in seinem Werk Goethe, der Mann und das Werk berichtet, um eine reale Begegnung Goethes mit einem jungen, hübschen Mädchen namens Maddalena Riggi, die er auf seiner Italienreise kennenlernte.
Auf den Seiten 275f. kann man Details zu dieser Begegnung nachlesen. Ein Digitalisat des Buches ist online verfügbar.1.1

Das Gedicht An Mignon von Johann Wolfgang von Goethe wurde veröffentlicht im Jahr 1798 in Musen-Almanach für das Jahr 1798, herausgegeben von Schiller. Es findet sich auf Seite 179f..

Digitalisat online

Weitere Veröffentlichungen:

oethe's Werken, Vollständige Ausgabe letzter Hand, Erster Band, Stuttgart und Tübingen, in der J.G.Cotta'schen Buchhandlung, 1827, Seite 92f.

Digitalisat online

Zur Musik

Komponiert: 27. Februar 1815
Veröffentlichung (angezeigt): 6. Juni 1825
Originaltonart:  g - moll
Liedform: Strophenlied
Aufnahmetonart:  f - moll
Schuberts Wohnort 1815

Das Verhältnis zwischen Schubert und Goethe war ambivalent. Während Schubert den 47 Jahre älteren Meister verehrte, hat Letzterer ihn kaum beachtet. Obwohl Goethe einige von Schuberts vertonten Gedichte durch eine Sendung Joseph von Spauns erhielt, gelang es dem Jüngeren nicht, mit seinen Kompositionen bis zu Goethe durchzudringen. Zu fremd waren den Ohren des alten Meisters der Klassik die neuen Klänge. 2.1
1830, zwei Jahre nach Schuberts Tod, soll Goethe den Erlkönig, gesungen von Wilhelmine Schröder-Devrient gehört haben. Ob ihm tatsächlich die Komposition, oder das junge Mädchen gefallen hat, bleibt dahingestellt. 2.2

Schubert vertonte 62 Texte von Goethe, manche sogar mehrmals. Am Ende liegen uns heute fast 80 Kompositionen vor. Viele davon sind Lieder. Einige für mehrere Stimmen und Instrumente.

Schubert war 18 Jahre alt, als er dieses Lied schrieb. Er widmete den Erstdruck dieses Liedes dem verehrten Dichter Johann Wolfgang von Goethe.

Schuberts erstes Liederheft für Goethe enthielt An Mignon in der ersten Fassung, daneben folgende Kompositionen:

Jägers Abendlied D 368
Der König in Thule D 367
Meeres Stille D 216
Schäfers Klagelied D 121, erste Fassung
Die Spinnerin D 247
Heidenröslein D 257
Wonne der Wehmut D 260
Wandrers Nachtlied D 224
Erster Verlust D 226
Der Fischer D 225, zweite Fassung
An Mignon D 161, erste Fassung
Geistes Gruß D 142, zweite Fassung
Nähe des Geliebten D 162, zweite Fassung
Gretchen am Spinnrade D 118
Rastlose Liebe D 138, erste Fassung
Erlkönig D 328, zweite Fassung

Zweites Liederheft für Goethe siehe -> Link zu Nachtgesang D 119

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Ort des Manuskripts: Fitzwilliam Library University of Cambridge (Kein Zugang online möglich)

Die Veröffentlichung besorgte 1825 A. Diabelli & Co. in Wien als Opus 19 - 2 | Verlagsnummer 1800

Das Manuskript der ersten Fassung befindet sich in der Staatsbibliothek zu Berlin - preussischer Kulturbesitz. Das Digitalisat kann online recherchiert werden.

Zur Veröffentlichung

Deckblatt Opus 19 4.1
Deckblatt Wiener Zeitung 6. Juni 1825 4.2

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 02 № 48
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 01
Friedlaender Edition  Bd. 2 » 49
Bärenreiter Urtext Edition  Bd. 1 » 102

Originalversion des Liedes PDF Thumbnail Erstdruck PDF Thumbnail
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