Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Olga Monakh - Klavier
Aufnahme: Samstag, 25. August 2012 | Berlin
Liedtext
"Was hör' ich draußen vor dem Tor,
Was auf der Brücke schallen?
Laß den Gesang vor unserm Ohr
Im Saale widerhallen!"
Der König sprach's, der Page lief,
Der Page kam, der König rief:
"Laßt mir herein den Alten!"
"Gegrüßet seid mir, edle Herrn,
Gegrüßt ihr schönen Damen!
Welch' reicher Himmel! Stern bei Stern!
Wer kennet ihre Namen?
Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit
Schließt, Augen, euch, hier ist nicht Zeit,
Sich staunend zu ergötzen."
Der Sänger drückt' die Augen ein
Und schlug in vollen Tönen:
Die Ritter schauten mutig drein,
Und in den Schoß die Schönen.
Der König, dem das Lied gefiel,
Ließ, ihn zu lohnen für sein Spiel,
Eine goldne Kette holen.
"Die goldne Kette gib mir nicht,
Die Kette gib den Rittern,
Vor deren kühnem Angesicht
Der Feinde Lanzen splittern.
Gib sie dem Kanzler, den du hast,
Und laß ihn noch die goldne Last
Zu andern Lasten tragen.
"Ich singe, wie der Vogel singt,
Der in den Zweigen wohnet;
Das Lied, das aus der Kehle dringt,
Ist Lohn, der reichlich lohnet.
Doch darf ich bitten, bitt' ich eins:
Laß mir den besten Becher Weins
In purem Golde reichen."
Er setzt' ihn an, er trank ihn aus:
"O Trank voll süßer Labe!
O, wohl dem hochbeglückten Haus,
Wo das ist kleine Gabe!
Ergeht's euch wohl, so denkt an mich
Und danket Gott so warm, als ich
Für diesen Trunk euch danke."
Zum Text
Das Gedicht Was hör ich draußen vor dem Tor stammt, ebenso wie der Harfenspieler, der es vorträgt aus Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre. Es findet sich in der Erstausgabe auf den Seiten 327-328 im 11. Kapitel des zweiten Buches von Band 1. Die Erstausgabe kann online studiert werden.
Über die Ballade Der Sänger gibt es eine eigene Seite auf Wikipedia.de.
Folgende Texte Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre wurden von Schubert vertont:
Band 1, 2. Buch, Kap. XI
Der Sänger D.149
Band 1, 2. Buch, Kap. XIII
Wer nie sein Brot mit Tränen aß D.478/2
Band 1, 2. Buch, Kap. XIII
Wer sich der Einsamkeit ergibt D.325, D.478/1
Band 2, 3. Buch, Kap. I
Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn D. 321
Band 2, 4. Buch, Kap. XI
Nur wer die Sehnsucht kennt D.310, D.359, D.481, D.656 (Quintett), D.877/1 (Duett), D.877/4
Band 3, 5. Buch, Kap. XIV
An die Türen will ich schleichen D.478/3
Band 3, 5. Buch, Kap. XVI
Heiß mich nicht reden, heiß mich schweigen D.726, D877/2
Band 4, 8. Buch, Kap. II
So laßt mich scheinen, bis ich werde D.469, D.727, 877/3
Zur Musik
Das Verhältnis zwischen Schubert und Goethe war ambivalent. Während Schubert den 47 Jahre älteren Meister verehrte, hat Letzterer ihn kaum beachtet. Obwohl Goethe einige von Schuberts vertonten Gedichte durch eine Sendung Joseph von Spauns erhielt, gelang es dem Jüngeren nicht, mit seinen Kompositionen bis zu Goethe durchzudringen. Zu fremd waren den Ohren des alten Meisters der Klassik die neuen Klänge. 2.1
1830, zwei Jahre nach Schuberts Tod, soll Goethe den Erlkönig, gesungen von Wilhelmine Schröder-Devrient gehört haben. Ob ihm tatsächlich die Komposition, oder das junge Mädchen gefallen hat, bleibt dahingestellt. 2.2
Schubert vertonte 62 Texte von Goethe, manche sogar mehrmals. Am Ende liegen uns heute fast 80 Kompositionen vor. Viele davon sind Lieder. Einige für mehrere Stimmen und Instrumente.
Schubert war 17 Jahre alt, als er dieses Lied schrieb.
Das zweite Liederheft für Goethe stellte Schubert laut Revisionsbericht der AGA unter dem Titel Lieder von Goethe componirt von Franz Schubert folgendermaßen zusammen:
Sehnsucht D 123
Wer kauft Liebesgötter D 261
Trost in Tränen D 120
Der Gott und die Bajadere D 254
Nachtgesang D 119
Sehnsucht D 310
Mignon D 321
Bundeslied D 258
Tischlied D 234
An den Mond D 259
Der Rattenfänger D 255
Der Sänger D 149
Es wurde in drei Teile geteilt. Teil I liegt in der Wienbibliothek im Rathaus der Stadt Wien, Teil II und Teil III liegen in der Bibliothèque nationale de France, Paris. Alle Autographe können als Digitalisat online recherchiert werden.
Erstes Liederheft für Goethe -> Link zu Rastlose Liebe, erste Fassung D 138
Kritik in der Berliner allgemeinen musikalischen Zeitung vom 31. Oktober 1829:
Quellenlage
Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch
Ort des Manuskripts: Bibliothèque nationale de France
Die Veröffentlichung besorgte 1829 Josef Czerny in Wien als Opus 117 | Verlagsnummer 340
Die erste Fassung wurde im Rahmen der Alten Gesamtausgabe (AGA) unter der Leitung von Eusebius Mandyczewski veröffentlicht.
Die Veröffentlichung der zweiten Fassung besorgte Josef Czerny, VN 340, Wien, als op. 117
Noten
Originalversion des Liedes
Quellen
3.1Gülke, Peter: Goethes »Versäumnisse«, in: Blog Klassik Stiftung Weimar, 08. September 2015
3.2Windmeißer, Renate: Neue Chance für Schubert, in: BR Klassik, Was heute geschah, 24. April 2018
5.1Noten-Quelle auf imslp.org o.ä.: Der Sänger
6.1Textquelle und alternative Kompositionen: www.lieder.net
Geschrieben von: Peter Schöne