Sehnsucht

Erste Bearbeitung

D 52 Nachlass 1868

Friedrich von Schiller 1759 - 1805

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Olga Monakh - Klavier

Aufnahme: Mittwoch, 07. August 2013 | Berlin

Liedtext

Ach, aus dieses Thales Gründen,
Die der kalte Nebel drückt,
Könnt' ich doch den Ausgang finden,
Ach, wie fühlt' ich mich beglückt!
Dort erblick' ich schöne Hügel,
Ewig jung und ewig grün!
Hätt' ich Schwingen, hätt' ich Flügel,
Nach den Hügeln [zög{Schubert Autograph: zög'}] ich hin.

Harmonieen hör' ich klingen,
Töne süßer Himmelsruh,
Und die leichten Winde bringen
Mir der Düfte Balsam zu,
Gold'ne Früchte seh ich glühen,
Winkend zwischen dunkelm Laub,
Und die Blumen, die dort blühen,
Werden keines Winters Raub.

Ach wie schön muß [sich's{Schuber Autograph: sichs}] ergehen
Dort im ew'gen Sonnenschein,
Und die Luft auf jenen Höhen
O wie labend muß sie seyn!
Doch mir wehrt des Stromes Toben,
Der ergrimmt dazwischen braußt,
Seine Wellen sind gehoben,
Daß die Seele mir ergraußt.

Einen Nachen seh ich schwanken,
Aber ach! der Fährmann fehlt.
Frisch hinein und ohne Wanken,
Seine Segel sind beseelt.
Du mußt glauben, du mußt wagen,
Denn die Götter leihn kein Pfand,
Nur ein Wunder kann dich tragen
In das schöne Wunderland.

Friedrich von Schiller
Ölgemälde ca. 1794 Ludovike Simanowiz
Wikimedia.org - Public domain

Zum Text

In seinem Gedicht "Sehnsucht" wendet sich der Klassiker Friedrich Schiller von seiner Epoche ab und öffnet ein Tor zur Romantik. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Schubert von diesem Gedicht zu zwei Vertonungen inspiriert wurde, von denen die frühere noch weitaus klassischere Züge trägt, als die spätere. Schillers von der Weimarer Klassik beeinflusste Gedanken zur gesellschaftspolitischen Situation seiner Zeit finden in diesem Gedicht eine Entsprechung in der Natur.
Er schrieb sein Gedicht 1801. Es erschien 1804 in Gedichte von Friederich Schiller, Zweiter Theil, Leipzig, 1805, bey Siegfried Lebrecht Crusius. Es findet sich auf den Seiten 23ff. Man kann die Veröffentlichung als Digitalisat der Oxford University bei Google-Books nachlesen.

Zur Musik

Komponiert: 17. April 1813
Veröffentlichung (angezeigt): 1868
Originaltonart:  d - moll
Liedform: durchkomponiert
Aufnahmetonart:  d - moll
Schuberts Wohnort 1813

Schubert und Schiller sind sich nie begegnet, denn Schubert war erst 8 Jahre und 3 Monate alt, als Schiller starb. Dennoch prägten die Ideale Schillers auf vielfältige Weise Schuberts Entwicklung zu einem genialen Tonsetzer und inspirierten ihn immer wieder zu Vertonungen.
Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Schubert fast 40 Texte von Schiller in Musik fasste. Dazu zählen die ersten uns bekannten Vertonungen ebenso wie einige der letzten, die er schrieb.
Zählt man alle Fragmente und Entwürfe zusammen, die heute laut Deutschverzeichnis bekannt sind, so kommt man auf nicht weniger als 77 Werke, die uns vorliegen. Die meisten entstanden in der Jugend Schuberts. Allein 66 Kompositionen in der Zeit zwischen 1811 und 1817. In dieser Zeit war Schubert zwischen 14 und 20 Jahre alt. Darunter finden sich so herrliche Stücke wie Gruppe aus dem Tartarus, Der Taucher, Sehnsucht, Die Götter Griechenlands oder Der Pilgrim.

Schubert schrieb am  31. März 1824 einen Brief an Leopold Kupelwieser, der zu dieser Zeit eine Reise nach Italien unternahm. Vielleicht entspringt das folgende Zitat aus diesem Brief der frühen Begeisterung Schuberts und seines Freundeskreises für Schillers Ideen zu ästhetischen Erziehung des Menschen.

Eine Schönheit soll den Menschen durch das ganze Leben begeistern – wahr ist es – doch soll der Schimmer dieser Begeisterung alles andere erhellen. 2.1

Schubert vertonte den Text zweimal. Das erste Mal mit nur 16 Jahren im Jahr 1813 (D 52) und mit 24 Jahren im Jahr 1821 (D 636). Wobei uns von letzterer sogar 3 Fassungen vorliegen.

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Ort des Manuskripts: Staatsbibliothek zu Berlin, preussischer Kulturbesitz

Die Veröffentlichung besorgte 1868 Wilhelm Müller in Berlin als Opus 1868 - 1 | Verlagsnummer 13

Zur Veröffentlichung

Deckblatt 4.1

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 01 № 9
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 02

Originalversion des Liedes PDF Thumbnail Erstdruck PDF Thumbnail
Zurück zu den Liedern