An die Entfernte

D 765 Nachlass 1868

Johann Wolfgang von Goethe 1749 - 1832

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Boris Cepeda - Klavier

Aufnahme: Mittwoch, 18. Juni 2008 | Berlin

Liedtext

So hab ich wirklich dich verloren,
Bist du, o Schöne, mir entflohn?
Noch klingt in den gewohnten Ohren
Ein jedes Wort, ein jeder Ton.

So wie des Wandrers Blick am Morgen
Vergebens in die Lüfte dringt,
[Wenn{Schubert (Neue Gesamtausgabe): "Wann"}], in dem blauen Raum verborgen,
Hoch über ihm die Lerche singt:

So dringet ängstlich hin und wieder
Durch Feld und Busch und Wald mein Blick;
Dich rufen alle meine Lieder;
O komm, Geliebte, mir zurück!

Johann Wolfgang von Goethe
Ölgemälde 1834 von Johann Josef Schmeller
Wikimedia.org - Public domain

Zum Text

Goethe war 39 Jahre alt, als er 1788 sein Gedicht An die Entfernte verfasste. 1789 wurde es in Goethe's Schriften Band 8 bei Georg Joachim Göschen in Leipzig auf Seite 117 veröffentlicht.

John Reed bemerkt in seinem Song Companion dass Goethe das Gedicht nach seiner Rückkehr von der Italienreise (September 1786 und Mai 1788) schrieb und mit der Entfernten Charlotte von Stein gemeint sei. 1.1

Zur Musik

Komponiert: Dezember 1822
Veröffentlichung (angezeigt): 1868
Originaltonart:  G - Dur
Liedform: A-B-A'
Aufnahmetonart:  D - Dur
Schuberts Wohnort 1822

Das Verhältnis zwischen Schubert und Goethe war ambivalent. Während Schubert den 47 Jahre älteren Meister verehrte, hat Letzterer ihn kaum beachtet. Obwohl Goethe einige von Schuberts vertonten Gedichte durch eine Sendung Joseph von Spauns erhielt, gelang es dem Jüngeren nicht, mit seinen Kompositionen bis zu Goethe durchzudringen. Zu fremd waren den Ohren des alten Meisters der Klassik die neuen Klänge. 2.1
1830, zwei Jahre nach Schuberts Tod, soll Goethe den Erlkönig, gesungen von Wilhelmine Schröder-Devrient gehört haben. Ob ihm tatsächlich die Komposition, oder das junge Mädchen gefallen hat, bleibt dahingestellt. 2.2

Schubert vertonte 62 Texte von Goethe, manche sogar mehrmals. Am Ende liegen uns heute fast 80 Kompositionen vor. Viele davon sind Lieder. Einige für mehrere Stimmen und Instrumente.

Schubert war 25 Jahre alt, als er dieses Lied schrieb.

Trotz der strengen Form fällt beim Hören ein natürlich wirkender Sprachrhythmus auf. Schubert schreibt Alla breve vor, gleichzeitig jedoch steht Langsam über die Noten. Dadurch entsteht ein Gefühl von schweren und langen Zählzeiten. Unterstützt wird dieses Gefühl durch den halbtaktigen Bass im Klavier, der sich fast durch das gesamte Lied zieht und nur dort unterbrochen wird, wo der Sänger in Gedanken verweilt, um dann mit neuer Energie weiterzusingen.
Obwohl das Lied für den Hörer mit einem Auftakt beginnt, schreibt Schubert einen vollen Takt voraus, vielleicht um das Warten zu illustrieren. Bereits im zweiten Takt nach wenigen Tönen schreibt er ein dissonantes Es in der dritten Stimme. Graham Johnson deutet diese Dissonanz als ein Vorbote auf das Schlimmste, was zu erwarten ist. 2.3
Er weist auch auf die Betonung des Wortes wirklich hin, die dadurch zustande kommt, dass dieses Wort auf der ersten Zählzeit des Taktes erklingt und zudem durch die punktierte Viertelnote besonderes Gewicht erhält.
Am Anfang erscheint zweimal im Klavier ein Echo des Gesungenen.
Der Sänger singt: Bist Du, oh Schöne mir entflohn und das Klavier antwortet entflohn. Wenig später imitiert das Klavier ebenfalls die Phrase ein jeder Ton des Sängers.
Der Mittelteil ist etwas langsamer, fast vorsichtig, beobachtend, abwartend, bis den Wanderer die Angst drängt und er zur hin Reprise ängstlich immer schneller wird.
Schubert schreibt geschwinder über diesen Teil. Die Reprise klingt sehnsüchtig, sowie zugleich auch resigniert und schließt mit einem Seufzer im Klavier ab.

1822 entstanden auch beispielsweise die Oper Alfonso und Estrella sowie die Messe Nr. 5 As-Dur.

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Ort des Manuskripts: Staatsbibliothek zu Berlin, preussischer Kulturbesitz

Die Veröffentlichung besorgte 1868 Wilhelm Müller in Berlin als Opus 1868 - 4 | Verlagsnummer 13

Das Manuskript dieses Liedes aus dem Jahr 1822 ist gemeinsam mit D. 764 Der Musensohn, D. 766 Am Flusse und D. 767 Willkommen und Abschied in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin online recherchierbar.

Die Erstveröffentlichung besorgte Wilhelm Müller, Verlagsnummer 13, Berlin 1868, Ed. Franz Espagne.

Zur Veröffentlichung

Deckblatt 4.1

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 07 № 417
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 13
Friedlaender Edition  Bd. 7 » 54

Originalversion des Liedes PDF Thumbnail Transposition PDF Thumbnail
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