Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Holger Berndsen - Klavier

Aufnahme: | Würzburg

Liedtext

Endlich stehn die Pforten offen,
Endlich winkt das kühle Grab,
Und nach langem Fürchten, Hoffen,
Neig' ich mich die Nacht hinab.
Durchgewacht sind nun die Tage
Meines Lebens. Süße Ruh
Drückt nach ausgeweinter Klage
Mir die müden [Wimper[Schubert: "Wimpern", Schubert's Manuskript: "Wimper"]] zu.

Auge schleuß dich. Strahl der Sonnen,
Wecke nicht den Schläfer mehr.
Seine Sanduhr ist verronnen;
Seiner Kräfte Sprudel leer.
Durchgerannt sind seine Schranken,
Durchgekämpfet ist sein Kampf.
Seht, der Erde Pfeiler wanken.
Seht, die Welt verwallt wie Dampf.

Dunkel wird mein Blick und trübe,
Taub das Ohr, und starr das Herz.
In ihm klopft nicht mehr die Liebe;
In ihm bebt nicht mehr der Schmerz.
Ausgeliebet, ausgelitten
Hab' ich, und die Leidenschaft
Tobt nicht mehr, und abgeschnitten
Dorrt mein Reben, eis't mein Saft.

Oeffne deine Schattenpforten,
Oeffne, Engel Tod sie nun.
Lange will ich, lange dorten
Bey dir in der Kammer ruhn.
Süß, geräuschlos, kühl und stille
Soll's in deiner Kammer seyn.
O so eile, Trauter, hülle
In dein Schlafgewand mich ein.

Die mich gern und liebend schauten,
Mond und Sonne, lebet wohl!
Die mir süße Wehmuth thauten,
Früh- und Spatroth, lebet wohl!
Lebet wohl ihr grünen Felder,
Du mein Tausendschönchenthal!
Düstre, feyerliche Wälder,
Bäch' und Hügel allzumal!

Die ihr zärtlich mich umschlanget,
Mit mir theiltet Weh und Wohl,
Mit mir kämpftet, mit mir ranget,
Lebet Freunde, lebet wohl!
Die du meinen Staub erschufest,
Und ihn heut in deinen Schooß,
Mutter Erde, wiederrufest,
Hüll' ihn sanft und [störunglos[Schubert: "störungslos"]].

Ewig wird die Nacht nicht dauern,
Ewig dieser Schlummer nicht.
Hinter jenen Gräberschauern
Dämmert unauslöschlich Licht.
Aber bis das Licht mir funkle,
Bis ein schön'rer Tag mir lacht,
Sink' ich ruhig in die dunkle,
Stille, kühle Schlummernacht.

Ludwig Gotthard Kosegarten
Stich von Johann Heinrich Lips
Österreichische Nationalbibliothek - Public domain

Zum Text

Ludwig Gotthard Kosegartens Gedicht Schwangesang wurde laut eigenen Angaben gedichtet in

"Greifswalde im Christmond 1775."

Er veröffentlichte die erste Fassung des Gedichts 1777 in Melancholien in Stralsund bei Christian Lorenz Struck. S. 121f.

▪ Digitalisat in der Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz, Berlin

Weitere Fassungen und Veröffentlichungen

Umgearbeitete zweite Fassung in Gedichte von Ludwig Theobul Kosegarten, Band 1 beim Verlag Ernst Martin Gräff, 1788 in Leipzig. S. 125f.

▪ Digitalisat auf books.google.com

Weiteren Umarbeitung 1800 in Rhapsodieen Band 1 bei Heinrich Gräff, Leipzig. S.38ff.

▪ Digitalisat auf books.google.com

1803 in der Neuesten Auflage seiner Poesieen(sic!) Band 2, Berlin, S. 152ff. Schubert scheint auf diese Ausgabe zugegriffen zu haben, denn die Schreibweise im Autograph ist identisch.

▪ Digitalisat auf books.google.com

Zur Musik

Komponiert: 19. Oktober 1815
Veröffentlichung (angezeigt): 1895
Originaltonart:  f - moll
Liedform: Strophenlied
Aufnahmetonart:  f - moll
Schuberts Wohnort 1815

Morten Solvik beschreibt in den Jahren 1997 und 1999 in einem online erschienenen Artikel die Möglichkeit, dass Schubert mit den 20 Liedern, die 1815 auf Gedichte von Kosegarten entstanden, einen ersten Liederzyklus schreiben wollte. Ähnlich wie acht Jahre später Die schöne Müllerin2.1

Zu diesem Zyklus gehören laut Morten Solvik die folgenden Lieder:

Huldigung D 240
Alles um Liebe D 241
3 Von Ida D 228
Die Erscheinung D 229 
Das Finden D 219 
6 Idens Nachtgesang D 227 
7 Die Sterne D 313 
Nachtgesang D 314 
Die Täuschung D 230 
10 Das Sehnen D 231 
11 Die Mondnacht D 238 
12 Abends unter der Linde D 237 
13 Das Abendrot D 236
14 Geist der Liebe D 233 
15 Der Abend D 221 
16 Idens Schwanenlied D 317 
17 Schwangesang D 318 
18 Luisens Antwort D 319 
19 An Rosa I D 315 
20 An Rosa II D 316

Schubert vertonte insgesamt 22 Texte von Kosegarten. Zählt man alle Fassungen dazu, liegen uns heute 24 Vertonungen vor. 14 Lieder entstanden zwischen 25. Juni und 27. Juli 1815. 7 Lieder an nur einem Tag: den 19. Oktober 1815. Nur An die untergehende Sonne wurde erst 1817 geschrieben.

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Ort des Manuskripts: Wienbibliothek im Rathaus der Stadt Wien

Die Veröffentlichung besorgte 1895 Eusebius Mandyczewski in Alte Gesamtausgabe (Breitkopf&Härtel) in Leipzig

Ein Manuskript des Liedes findet sich in der Wienbibliothek im Rathaus. Es ist als Digitalisat auf www.schubert-online.at online recherchierbar.

Die Veröffentlichung besorgte Eusebius Mandyczewski im Rahmen der Alten Gesamtausgabe.

Zur Veröffentlichung

Deckblatt Alte Gesamtausgabe 4.1

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 03 № 165
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 09
Bärenreiter Urtext Edition  Bd. 8 » 111

Originalversion des Liedes PDF Thumbnail
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