Am Fenster

D 878 Opus 105 - 3

Johann Gabriel Seidl 1804 - 1875

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Boris Cepeda - Klavier

Aufnahme: Mittwoch, 04. Februar 2009 | Erfurt

Liedtext

Ihr lieben Mauern, [sanft{Schubert: hold}] und traut,
Die ihr mich kühl umschließt,
Und [silberglänzig{Schubert: silberglänzend}] niederschaut,
[Wann{Schubert:Wenn}] droben Vollmond ist:
Ihr saht mich einst so traurig da,
Mein Haupt auf schlaffer Hand, –
Als ich in mir allein mich sah,
Und keiner mich verstand.

Jetzt brach ein ander Licht heran:
Die Trauerzeit ist um:
Und manche ziehn mit mir die Bahn
Durch's Lebensheiligthum.
Sie raubt der Zufall ewig nie
Aus meinem treuen Sinn:
In tiefster Seele trag' ich sie, –
Da reicht kein Zufall hin.

Du Mauer wähnst mich trüb', wie einst
Das ist die stille Freud';
Wenn du vom Mondlicht wiederscheinst,
Wird mir die Brust so weit.
An jedem Fenster wähn' ich, dann
Ein Freundeshaupt, gesenkt,
Das auch so schaut zum Himmel an,
[Und{Schubert: Das}] auch so meiner denkt.

Lieder der Nacht. 1826

Johann Gabriel Seidl
Portrait ca. 1870 von Karl von Jagemann
Österreichische Nationalbibliothek - Public domain

Zum Text

Im Zusammenhang mit dem Namen Seidl muss der Name Ludlamshöhle fallen. Unter den Mitgliedern dieser "Unsinnsgesellschaft" finden sich, was nicht weiter verwundert, etliche Persönlichkeiten, die ebenfalls dem Freundeskreis angehörten, der sich um Franz Schubert bildete.1.1

Johann Gabriel Seidl trug den Ludlamsnamen – Zweipfiff, der Sizilianer
(wobei Zweippfiff sich auf die in Wien übliche Verwendung des Namens Seidel als Volumenmaß für Getränke bezieht, der Beiname Sizilianer wohl auf die von Seidl in der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode ab 1823 veröffentlichten Sicilianen)

Das Gedicht Am Fenster von Johann Gabriel Seidl wurde veröffentlicht im Jahr 1826 in Lieder der Nacht. Elegien aus Alfons von Lamartine. Die Deutung. Von Johann Gabriel Seidl. Es findet sich auf Seite 5f..

Digitalisat online

Zur Musik

Komponiert: März 1826
Veröffentlichung (angezeigt): 21. November 1828
Originaltonart:  F - Dur
Liedform: A-B-A'
Aufnahmetonart:  C - Dur
Schuberts Wohnort 1826

Schubert und Seidl sind sich ab 1824 mehrfach begegnet. 1826 hatte Schubert einige Gedichte Seidls vertont, doch am 4. August 1828 schrieb er an den Dichter (der ihm offenbar weitere Gedichte zur Vertonung hatte zukommen lassen): 

"Geehrtester H. Gabriel! Beiliegend sende ich Ihnen diese Gedichte zurück, an welchen ich durchaus nichts Dichterisches noch für Musik Brauchbares entdecken konnte."

Trotz alledem vertonte Schubert auch noch 1828 einige Gedichte Seidls und auch das letzte von ihm komponierte Lied Die Taubenpost D 965A stammt von diesem Dichter.

Insgesamt vertonte insgesamt 15 Gedichte von Seidl. 11 davon sind Lieder für eine Singstimme mit Klavierbegleitung:

Die Unterscheidung D 866
Bei dir allein D 866
Die Männer sind méchant D 866
Irdisches Glück D 866
Wiegenlied D 867
Der Wanderer an den Mond D 870
Das Zügenglöcklein D 871
Am Fenster D 878
Sehnsucht D 879
Im Freien D 880
Die Taubenpost D 965A

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Ort des Manuskripts: Library of Congress

Die Veröffentlichung besorgte 1828 Josef Cerny in Wien als Opus 105 - 3 | Verlagsnummer 329

Die Lieder erschienen am Tage von Schuberts Begräbnisses auf dem Währinger Friedhof.

Zur Veröffentlichung

Deckblatt Opus 105 4.1
Deckblatt Wiener Zeitung 21. November 1828 4.2

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 08 № 492
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 05
Friedlaender Edition  Bd. 3 » 77
Bärenreiter Urtext Edition  Bd. 4 » 12

Originalversion des Liedes PDF Thumbnail Erstdruck PDF Thumbnail
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