Das Zügenglöcklein

D 871 Opus 80 - 2

Johann Gabriel Seidl 1804 - 1875

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Holger Berndsen - Klavier

Aufnahme: Montag, 07. September 2015 | München

Liedtext

Kling' die Nacht durch, klinge,
Süßen Frieden bringe
Dem, für den du tönst!
Kling' in [stille{Schubert: weite}] Ferne,
So du Pilger gerne
Mit der Welt versöhnst!

Aber wer will wandern
Zu den lieben Andern,
Die vorausgewallt?
Zog er gern die Schelle?
Bebt er an der Schwelle,
Wann "Herein" erschallt? –

Gilt's dem bösen Sohne,
Der noch flucht dem Tone,
Weil er heilig ist?!
Nein, es klingt so lauter,
Wie ein Gottvertrauter
Seine Laufbahn schließt!

Aber ist's ein Müder,
Den verwaist die Brüder, –
Dem ein treues Thier
Einzig ließ den Glauben
An die Welt nicht rauben: –
Ruf' ihn, Gott, zu Dir!

Ist's der Frohen einer,
Der die Freuden reiner
Lieb und Freundschaft theilt,
Gönn' ihm noch die Wonnen
Unter dieser Sonnen,
Wo er gerne weilt!

Lieder der Nacht. 1826

Johann Gabriel Seidl
Portrait ca. 1870 von Karl von Jagemann
Österreichische Nationalbibliothek - Public domain

Zum Text

Im Zusammenhang mit dem Namen Seidl muss der Name Ludlamshöhle fallen. Unter den Mitgliedern dieser "Unsinnsgesellschaft" finden sich, was nicht weiter verwundert, etliche Persönlichkeiten, die ebenfalls dem Freundeskreis angehörten, der sich um Franz Schubert bildete.1.1

Johann Gabriel Seidl trug den Ludlamsnamen – Zweipfiff, der Sizilianer
(wobei Zweippfiff sich auf die in Wien übliche Verwendung des Namens Seidel als Volumenmaß für Getränke bezieht, der Beiname Sizilianer wohl auf die von Seidl in der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode ab 1823 veröffentlichten Sicilianen)

Das Gedicht Das Zügenglöcklein von Johann Gabriel Seidl wurde veröffentlicht im Jahr 1826 in Lieder der Nacht. Elegien aus Alfons von Lamartine. Die Deutung. Von Johann Gabriel Seidl. Es findet sich auf Seite 26.

Digitalisat online

Zur Musik

Komponiert: 1826
Veröffentlichung (angezeigt): 25. Mai 1827
Originaltonart:  As - Dur
Liedform: Strophenlied
Aufnahmetonart:  G - Dur

Schubert und Seidl sind sich ab 1824 mehrfach begegnet. 1826 hatte Schubert einige Gedichte Seidls vertont, doch am 4. August 1828 schrieb er an den Dichter (der ihm offenbar weitere Gedichte zur Vertonung hatte zukommen lassen): 

"Geehrtester H. Gabriel! Beiliegend sende ich Ihnen diese Gedichte zurück, an welchen ich durchaus nichts Dichterisches noch für Musik Brauchbares entdecken konnte."

Trotz alledem vertonte Schubert auch noch 1828 einige Gedichte Seidls und auch das letzte von ihm komponierte Lied Die Taubenpost D 965A stammt von diesem Dichter.

Insgesamt vertonte insgesamt 15 Gedichte von Seidl. 11 davon sind Lieder für eine Singstimme mit Klavierbegleitung:

Die Unterscheidung D 866
Bei dir allein D 866
Die Männer sind méchant D 866
Irdisches Glück D 866
Wiegenlied D 867
Der Wanderer an den Mond D 870
Das Zügenglöcklein D 871
Am Fenster D 878
Sehnsucht D 879
Im Freien D 880
Die Taubenpost D 965A

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Ort des Manuskripts: Staatsbibliothek zu Berlin, preussischer Kulturbesitz

Die Veröffentlichung besorgte 1827 Tobias Haslinger in Wien als Opus 80 - 2 | Verlagsnummer 5028

Berliner Allgemeine musikalische Zeitung 5. Jhg. 1828, Ausgabe vom 14. Mai 3.1

Der Wanderer an den Mond. Das Ziegen­glöcklein (sic!). Im Freien. Gedichte von Seidl. In Musik gesetz für eine Sing­stimme mit Begleitung des Pianoforte. –
von Franz Schubert. Werk 80. Wien bei Haslinger.
Trefflich ist im ersten Lied die Sehnsucht des Wanderes nach seiner entfernten Heimath durch die Tonart G-moll, und die stete Bewe­gung des Fortschreitens durch auf und absteigende
Intervalle in Achteln ausgedrückt. Von er­greifender Wirkung ist der Eintritt des G-dur bei den Worten: „Du (der Mond) aber wanderst auf und ab.“
„Das Ziedenglöcklein(sic!)“ ist so durchaus schön komponirt, dass wir es wohl würdig hielten, das Produkt eines Beethovens zu sein.
Das Lied: „Im Freien“ gehört unter die Lie­der des Herrn Schubert, von denen man mit Recht sagt: sie wären zu gut; da aber zu gut, nicht mehr gut ist; so können uns auch über­triebene Lieder, wie das hier angezeigte, nicht zufrieden stellen. Der Hauptfehler liegt in der dominirenden Begleitung des Pianoforte, die den Gesang zurük im Schatten drängt. Bei Gesang­stücken wird dieses Verfahren stets getadelt; wie viel mehr aber ist es bei Liedern zu miss­billigen, wo die Begleitung höchstens nur den Gesang unterstützend gebraucht werden darf.

M. E.

Zur Veröffentlichung

Deckblatt Opus 80 4.1
Deckblatt Wiener Zeitung 25. Mai 1827 4.2

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 08 № 507
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 04
Friedlaender Edition  Bd. 3 » 36
Bärenreiter Urtext Edition  Bd. 3 » 4

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