Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Olga Monakh - Klavier
Aufnahme: Samstag, 25. Juni 2011 | Berlin
Liedtext
Ich bin von aller Ruh geschieden
[Und{Schubert (Neue Gesamtausgabe): "Ich"}] treib' umher auf wilder Fluth;
An einem Ort nur find' ich Frieden,
Das ist der Ort, wo alles ruht.
Und wenn die Wind' auch schaurig sausen,
Und kalt der Regen niederfällt,
Doch [mag{Schubert: "will"}] ich dort viel lieber hausen,
Als in der unbeständ'gen Welt.
Denn wie die Träume spurlos schweben,
Und einer schnell den andern treibt,
Spielt mit sich selbst das irre Leben,
Und [jedes{Schubert (Alte Gesamtausgabe): "jeder"}] naht und keines bleibt.
Nie will die falsche Hoffnung weichen,
Nie mit der Hoffnung Furcht und Müh.
Die Ewigstummen, Ewigbleichen,
Verheißen und versagen nie.
Nicht weck' ich sie mit meinen Schritten
In ihrer dunklen Einsamkeit;
Sie wissen nicht, was ich gelitten,
Und keinen stört mein tiefes Leid.
Dort kann die Seele freyer klagen
Bey Jener, die ich treu geliebt;
Nicht wird der kalte Stein mir sagen,
Ach, daß auch sie mein Schmerz betrübt!
Zum Text
Die von Schubert vertonten Gedichte von Ernst Schulze stammen aus dem Poetischem Tagebuch, des Dichters, das er vom 29. Juni 1813 bis zum 17. Februar 1817 führte.
Das vorliegende Gedicht wurde 1819 unter dem Titel Am 17ten Januar 1817 in Ernst Schulze's sämmtliche poetische Schriften Band 3 bei Brockhaus Leipzig veröffentlicht. S. 196.
Die von Schubert verwendete Ausgabe dürfte die Neue Ausgabe dieser Bände Sämmtliche poetische Werke von Ernst Schulze aus dem Jahr 1822 sein. Dort findet sich das Gedicht auf S. 200.
Schulze veröffentlichte 1818 sein Versepos Die bezauberte Rose, welches ihn schnell in den Kreisen der Romantiker bekannt machte. Auch Schubert und seine Freunde lasen es und Schubert, der mit dem Gedanken spielte, aus der bezauberten Rose eine Oper zu machen, bat Bauernfeld um ein Libretto.1.1
Franz von Schober ließ sich möglicherweise von der 41. Stanze dieses Werkes zu seinem Gedicht An die Musik inspirieren. Die Verse von Schulze lauten:
Du holde Kunst melodisch süßer Klagen,
Du tönend Lied aus sprachlos finsterm Leid,
Du spielend Kind, das oft aus schönern Tagen
In unsre Nacht so duft'ge Blumen streut,
Ach, ohne dich vermöcht' ich nie zu tragen,
Was feindlich längst mein böser Stern mir beut!
Wenn Wort und Sinn in Liebe freundlich klingen,
Dann flattert leicht der schwere Gram auf Schwingen.
Ein Manuskript des Textes liegt in der Wienbibliothek im Rathaus.
Zur Musik
Die Lieder nach Texten von Ernst Conrad Friedrich Schulze nehmen eine Sonderstellung im Œvre Schuberts ein. Nicht umsonst zählen z.B. Lieder wie Auf der Bruck oder An mein Herz zu den bekannteren Schubert-Liedern, die auch hin und wieder in Liederabendprogrammen zu hören sind. Schubert findet für die Texte dieses Dichters eine ganz eigene Tonsprache von großer Intensität. Es scheint fast so, als ob die Texte des Norddeutschen einen besonderen Punkt in seiner Seele berührt hätten.
In Tiefes Leid beginnt die Begleitung mit hörbarem Umhersuchen durch die unruhige Rhythmik und den Wechsel von Tonika und Dominantsept-Akkord sowie die Akzente auf der dritten Zählzeit des 3/4-Taktes. Der Stimmungswechsel im zweiten Teil des dreistrophigen Liedes kommt durch ein Umdeuten der Molltonart nach Dur und eine Beruhigung der nachschlagenden Achtel in der rechten Hand durch weichere Synkopen zustande. Die große Kunst bei den Liedern Schulzes aber ist es, dass sich alle Strophen in der Melodie wiederfinden.
1826 komponierte er auch das Streichquartett G-Dur, das Rondeau brillant für Klavier und Violine, die Klaviersonate in G-Dur sowie sein bekanntestes geistliches Werk, die Deutsche Messe.
Schubert vertonte neun Gedichte von Ernst Schulze. Ein weiteres blieb lediglich Fragment.
Die Titel für seine Lieder wählte Schubert selbst.
(Die Originaltitel der Gedichte stehen in Klammern)
Der liebliche Stern D 861 (Am 28sten April 1814)
Im Walde D 834 (Im Walde hinter Falkenhagen. Den 22sten Julius 1814)
Auf der Bruck D 853 (Auf der Bruck. Den 25sten Julius 1814)
Um Mitternacht D 862 (Am 5ten März 1815, Nachts um 12 Uhr)
Im Frühling D 882 (Am 31sten März 1815)
Lebensmut D 883 (Am 1ten Aprill 1815)
An mein Herz D 860 (Am 23sten Januar 1816)
Über Wildemann D 884 (Ueber Wildemann, einem Bergstädtchen am Harz. Den 28sten April 1816)
Tiefes Leid, auch Im Januar 1817 D 876 (Am 17ten Januar 1817)
Quellenlage
Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch
Die Veröffentlichung besorgte 1838 A. Diabelli & Co. in Wien als Nachlass - 30 | Verlagsnummer 5043
Noten
Erstdruck
Quellen
1.1 Karl Kobald: Schubert und Schwind - Ein Wiener Biedermeierbuch, S. 207
5.1Noten-Quelle auf imslp.org o.ä.: Tiefes Leid
6.1Textquelle und alternative Kompositionen: www.lieder.net
Geschrieben von: Peter Schöne