Prometheus

D 674 Nachlass - 47

Johann Wolfgang von Goethe 1749 - 1832

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Christoph Schnackertz - Klavier

Aufnahme: Donnerstag, 21. Juli 2011 | Erfurt

Liedtext

Bedecke deinen Himmel, [Zeus{Goethe (vor 1827) und Schubert Erstdruck: Zevs],
Mit Wolkendunst,
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen Dich und Bergeshöhn!
Mußt mir meine Erde
Doch lassen stehn,
Und meine Hütte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Gluth
Du mich beneidest.

Ich kenne nichts [ärmers{Schubert: Ärmeres}]
Unter der Sonn' als euch, Götter!
Ihr [nähret{Schubert: nährt}] kümmerlich
[Von{Schubert AGA: vom}] Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät,
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Thoren.

Da ich ein Kind war,
Nicht wußte wo aus wo ein,
Kehrt' ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber wär'
Ein Ohr zu hören meine Klage,
Ein Herz wie mein's,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir
Wider der Titanen Übermuth?
Wer rettete vom Tode mich,
Von [Sklaverey{Schubert Erstdruck-AGA: Sclaverey}]?
Hast du nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?

Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Thränen gestillet
Je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herrn und deine?

Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehen,
Weil nicht alle
Blüthenträume reiften?

Hier sitz' ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sey,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!

Johann Wolfgang von Goethe
Ölgemälde 1834 von Johann Josef Schmeller
Wikimedia.org - Public domain

Zum Text

Goethe war 23 Jahre alt und mitten im Sturm und Drang, als er 1772-74 das vorliegende Gedicht verfasste. Es wurde zum ersten Mal anonym 1785 in Friedrich Heinrich Jacobi's Ueber die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn zwischen den Seiten 48 und 49 veröffentlicht. 1.1
In Goethe's Schriften Band 8 bei Georg Joachim Göschen in Leipzig erscheint es auf Seite 207ff. 1.2
Das Gedicht findet sich ebenfalls in Goethe's Werke, Vollständige Ausgabe letzter Hand, Zweyter Band, Stuttgart und Tübingen, in der J.G.Cotta'schen Buchhandlung, 1827, S. 76f. Als Digitalisat ist es bei hathitrust.org abrufbar.

Über die mythologische Gestalt Prometheus kann man sich bei Wikipedia.org informieren. 1.3

Zur Musik

Komponiert: Oktober 1819
Veröffentlichung (angezeigt): 1850
Originaltonart:  C - Dur
Liedform: durchkomponiert
Aufnahmetonart:  C - Dur
Schuberts Wohnort 1819

Das Verhältnis zwischen Schubert und Goethe war ambivalent. Während Schubert den 48 Jahre älteren Meister verehrte, hat Letzterer ihn kaum beachtet. Obwohl Goethe einige seiner vertonten Gedichte durch eine Sendung Joseph von Spauns erhielt, gelang es Schubert nicht, mit seinen Kompositionen bis zu Goethe durchzudringen. Zu fremd waren den Ohren des alten Meisters der Klassik die neuen Klänge. 2.1
1830, zwei Jahre nach Schuberts Tod, soll Goethe den Erlkönig, gesungen von Wilhelmine Schröder-Devrient gehört haben. Ob ihm tatsächlich die Komposition, oder das junge Mädchen gefallen hat, bleibt dahingestellt. 2.2

Schubert vertonte 62 Texte von Goethe, manche sogar mehrmals. Am Ende liegen uns heute fast 80 Kompositionen vor. Viele davon sind Lieder. Einige für mehrere Stimmen und Instrumente.

Schubert war 22 Jahre alt, als er dieses Lied schrieb.

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Ort des Manuskripts: Gesellschaft der Musikfreunde Wien (Kein Zugang online möglich)

Die Veröffentlichung besorgte 1850 A. Diabelli & Co. in Wien als Nachlass - 47 | Verlagsnummer 8836

Die Erstveröffentlichung besorgte A. Diabelli et Comp. Wien, VN 8836 als Nachlass-Lieferung 47

Zur Veröffentlichung

Deckblatt Nachlass 47 4.1

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 06 № 370
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 12
Friedlaender Edition  Bd. 3 » 212

Originalversion des Liedes PDF Thumbnail Erstdruck PDF Thumbnail
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