24.06.1824 - Kritik zu op. 21-24 aus der allgemeinen musikalischen Zeitung

Recension.

Auf der Donau. Der Schiffer. Wie Ulfru fischt.
Für eine Bassstimme. Op. 21.
Der Zwerg. Wehmuth.
Für eine Singstimme. Op. 22.
Die Liebe hat gelogen. Die selige Welt. Schwanengesang. Schatzgräbers Begehr.
Für eine Singstimme. Op. 23.
Gruppe aus dem Tartarus. Schlummerlied.
Für eine Singstimme. Op. 24.
Sämmtliche Gesänge mit Begleitung des Pianoforte, comp. von Franz Schubert. Wien bey Sauer und Leidesdorf. Jeder Heſt 45 Xr. Conv. M.

Der Componist dieser Gesänge beurkundet durch sie ein achtungswerthes Talent, das sich, im frischen Jugendmuth verachtend die alten ausgetretenen Wege, eine neue Bahn bricht und diese consequent verfolgt. Wer wollte das wohl tadeln? Keiner, der billig genug ist, jedem Künstler seine Ansicht der Kunst, seine Art und Weise, sich in ihr und durch sie auszusprechen, zu lassen –
keiner, der bescheiden genug ist, zuzugeben, dass sein eigener Weg nicht der alleinige Weg des Heils sey. Aber der Billige und Bescheidene soll nun auch seine Meynung frey sagen und seine Ansicht, seinen Weg mit denen Anderer vergleichen dürfen. Deshalb erlaubt sich Ref. über obige vier Hefte ausführlicher zu seyn, als bey dergleichen Werken gewöhnlich ist.

Hr. Fr. S. schreibt keine eigentlichen Lieder und will keine schreiben (ihnen sich mehr oder weniger nähernd sind jedoch No. 3. in Op. 21. No. 2. in Op. 22. No. 1. 2. 3. in Op. 23. No. 2. in Op. 24.), sondern freye Gesänge, manche so frey, dass man sie allenfalls Capricen oder Phantasien nennen kann. Dieser Absicht gemäss sind die meist neuen Gedichte, deren Werth jedoch sehr verschieden ist, günstig gewählt und die Uebertragung derselben in Töne im Allgemeinen zu loben, da dem Vf. fast durchaus die Anlage im Ganzen und Einzelnen, der Idee nach, aber bey weitem nicht so glücklich die Ausführung gelingt, die durch wenig oder gar nicht motivirtes excentrisches, oft recht wildes, Wesen und Treiben den Mangel innerer Einheit, Ordnung und Regelmässigkeit zu ersetzen versucht; durch welche letzten Eigenschaften allein freylich kein Werk der Kunst zum schönen Kunstwerk wird, ohne welche Eigenschaften aber auch bestimmt nur bizarre groteske Produkte entstehen.

Der Gesang, meist deklamatorisch, ist zuweilen wenig sangbar, nicht selten unnöthigerweise schwierig und hat die Eigenheit, dass er oft, auch bey Sopranstimme mit dem Spielbasse in Oktaven geht. Die Harmonie ist meist rein, – nach falschen Quinten und Oktaven, Queerständen u. dgl. zu jagen, an denen es, selbst in ziemlicher Anzahl, nicht fehlt, ist mit Recht längst aus der Mode,– die Modulation frey, sehr frey und oft noch etwas mehr. Dem Ref. wenigstens ist keine Composition in dieser Gattung, ja vielleicht überhaupt kaum irgend eine Composition bekannt, welche es nicht etwa weiter, sondern nur so weit triebe.

Z. B. Op. 21. No. 1. fängt in Es dur an, wo es im siebenten Takte nicht mehr ist; dann kommt C moll, As dur und moll, Ces dur u. s. w., Fis moll, worin es länger bleibt und schliesst.

Op. 22. No. 2. D moll hat im 11ten Takte eine förmliche Cadenz in Fis dur, später den, aus Rossini's Tancredi erstem Final, berühmten Bass: b d f – b es ges – b des fes ges – h dis fis u. s. w. vier oder fünfmal dasselbe, immer einen halben Ton höher, was ein gar allerliebster Schusterfleck und Klavierstimmern zur Probe der Reinheit zu empfehlen ist.

Ob in Op. 23. No. 1. die Tonverbindungen im dritten Takte vom Ende als wahrhaft neu und originell, wiewohl ziemlich grässlich, mit Absicht geschrieben, oder ob sie Druckfehler sind, getraut sich Ref. nicht zu entscheiden, obgleich er einige Gründe hat, das Erste zu glauben. Folgende Akkorde und Modulationen aber, von denen das erste Beyspiel nur durch die wunderbare Art der Bezeichnung der Töne (Orthographie kann man es nicht nennen) auffallend ist, sind keine Druckfehler – es ges ces – fes g ces d – des; cis eis gis cis – b g b d und noch dreymal dasselbe, immer einen halben Ton höher – fis ais cis – fis es a c – g d g c u. s. w. Wem das gefällt, nun, der mag's spielen und singen, oder componirend wiederholen.

Op. 21. Takt 13. 14. wäre anstatt ces f d – b f d – a f d wohl besser ces ges es – b ges es – a ges es – oder vielmehr, es kann kaum anders seyn. Das einfache Schlaflied (Op. 24. No. 2.) muss der Consequenz halber nach der Mitte etc. einige desperate Modulationen erdulden. In Op. 23. No. 2. sind auch die fernsten Modulationen mild und zu loben, und Op. 23. No. 4. macht's damit billig. Op. 24. No. 1. malt im Anfange, aber sehr gut, und die, obgleich sehr grellen, Modulationen lassen sich hier entschuldigen, allenfalls sogar rechtſertigen. Dreizehn Triller im Spielbass (Op. 21. No. 1.), die Verkürzung der vier Takte in zwey bey der Wiederholung der letzten Zeile in No. 2. Op. 21. und einiges Andere sind Einzelheiten, über die viel Worte zu machen nicht lohnt. Aber über die ungebührlich heftige Neigung, nur immer fort und fort, ruh – und rastlos zu moduliren und wieder zu moduliren, die eine wahre Krankheit der Zeit und bald zur Modulationsmanie geworden ist, der leider auch berühmte Tondichter, freywillig oder der Mode huldigend, Opfer bringen, glaubte Ref. etwas ausſührlicher seyn zu dürfen.

Wohl weiss er, dass nicht viele, hofft aber, dass doch einige auf die Stimme des Predigers in der Wüsten hören und achten, und wenn jene, vermeinend, auf ihre Weise zeige sich eben ihr Genie, ihre Gelehrsamkeit u. dgl. sich im Dünkel erheben und von uns Andern denken oder sprechen: „ist ihnen nirgends wohl, als wo's recht flach ist“, so erinnert er diesen zum Trost, dass solche Modulationsexercitia zwar auch ihren guten Nutzen haben, aber nur als eigentliche Uebungen für Schüler der Akkordenlehre; dass alle Schüler der Composition im Anfange gar wild und thöricht, später aber immer weniger und weniger moduliren, woraus zu folgen scheint, dass solch plan- und zweckloses Herumschweiſen nur Folge der Unbeholfenheit sey, sich glücklich auf dem Platze halten zu können, auf dem man eben ist; und dass man endlich in den herrlichsten Werken der grössten Meister aller Zeiten die Einfachheit, Ruhe, Ordnung und Klarheit als die nicht geringsten Eigenschaften betrachtet. Auch darin, wie fast in Allem, ist Mozart Muster und wird es bleiben, wenn auch neuere Scribenten, die Niemand kennt, obgleich sie, sich zu nennen, den Muth haben, ihm Geist- und Urtheilskraft absprechen und nur Kunstinstinkt zugestehen. – Risum teneatis amici!

Die angezeigten vier Hefte sind im Aeussern gut und anständig ausgestattet. Einige Druckfehler sind nicht bedeutend.