Der Schiffer

Zweite Fassung

D 536 Opus 21 - 2

Johann Baptist Mayrhofer 1787 - 1836

Artists: Peter Schöne - Baritone | Olga Monakh - Piano

Recording: Wednesday, 28. August 2013 | Berlin

Lyrics

Im Winde, im Sturme befahr' ich den Fluß,
Die Kleider durchweichet der Regen im Guß;
Ich [lenke – ich peitsche]1 mit mächtigem Schlag
[Die Wellen]2, erhoffend mir heiteren Tag.

Die [Fluten]3, sie jagen das [schwankende]4 Schiff,
Es drohet der Strudel, es drohet der Riff,
Gesteine entkollern den [felsigen]5 Höh'n,
Und [Fichten, sie sausen]6 wie Geistergestöh'n.

So mußte es kommen – ich hab es gewollt,
Ich hasse ein Leben [behäglich]7 entrollt;
Und schlängen die [Fluten]3 den [dröhnenden]8 Kahn,
Ich priese doch immer die eigene Bahn.

[Es]9 tose des Wassers ohnmächtiger Zorn,
Dem Herzen entquillet ein seliger Born,
Die Nerven erfrischend - o himmliche Lust!
Dem Sturme [gebiethen]10 mit männlicher Brust.

1 Schubert: "Ich peitsche die Wellen"
2 Schubert: "Erhoffend"
3 Schubert: "Wellen"
4 Schubert: "ächzende"
5 Schubert (Autograph): "felsigten"
6 Schubert: "Tannen erseufzen"
7 Mayrhofer (Edition 1824): "behaglich"
8 Schubert: "ächzenden"
9 Schubert: "Drum"
10 Schubert: "zu trotzen"

Johann Baptist Mayrhofer
Ergänzte Fotografie nach der Sepiazeichnung in Schwinds 'Schubertabend'
Österreichische Nationalbibliothek - Public domain

About poem

Der erste Gedichtband Mayrhofers erschien erst 1824 bei der eher kleinen Verlagsbuchhandlung Friedrich Volke in Wien. Diese Veröffentlichung ist als Digitalisat in der Österreichischen Nationalbibliothek online studierbar. Das vorliegende Gedicht findet sich dort unter dem Titel Schiffer auf S. 106. Es wurde jedoch bereits 1818 im Buch Beyträge zur Bildung für Jünglinge, zweites Bändchen in der Franz Härter'schen Buchhandlung, Wien veröffentlicht. Hier lautet der Titel Der Schiffer - siehe Seite 325. 11,12

Schubert erhielt Gedichte Mayrhofer's üblicherweise als Handschrift. Dadurch erklären sich auch die vielen Änderungen zur Druckversion des Textes.

 

About music

Written: 1817
Publishing (announced): 19. June 1823
Original key:  E♭   major
Songtype: Strophic song
Key recorded:  C   major
Schubert's residence 1817

Mayrhofer war ein enger Freund Franz Schuberts und wohnte drei Jahre von 1819-1821 gemeinsam mit ihm in einer Wohngemeinschaft. Er schreibt am 23. Februar 1829 im Neuen Archiv für Geschichte, Staatenkunde, Literatur und Kunst in seinen Erinnerungen an Franz Schubert:

"Mein Verhältniß mit Franz Schubert wurde dadurch eingeleitet, daß ihm ein Jugendfreund das Gedicht „am See" – es ist das vierte in dem bei Volke 1824 erschienenen Bändchen – zur Komposition übergab. An des Freundes Hand betrat 1814 Schubert das Zimmer, welches wir 5 Jahre später gemeinsam bewohnen sollten. Es befindet sich in der Wipplingerstraße (heute Nr.2).
(...)
Dieses Grundgefühl, und die Liebe für Dichtung und Tonkunſt machten unser Verhältniß inniger; ich dichtete,er komponierte, was ich gedichtet, und wovon Vieles seinen Melodien Entstehung, Fortbildung und Verbreitung verdankt." 13

Dieser engen Beziehung verdanken wir 47 Gedichtvertonungen durch Schubert.

Franz Schubert war 20 Jahre alt, als er dieses Lied schrieb.

In der Leipziger "Allgemeinen musikalischen Zeitung" vom 24. Juni 1824 erscheint eine Rezension der Lieder op. 21 - op. 24.
Diese Rezension ist als Digitalisat ist im Münchener Digitalisierungszentrum der Bayerischen Staatsbibliothek online verfügbar.
Der Rezensent Gottfried Wilhelm Fink bemerkt, daß Schubert keine Lieder schreibt und auch keine schreiben will, sondern freie Gesänge, manche so frei, daß man sie allenfalls Kapricen oder Phantasien nennen kann. Er bemängelt bei Schubert die

ungebührlich heftige Neigung, nur immer fort und fort, ruh- und rastlos zu modulieren und wieder zu modulieren, die eine wahre Krankheit der Zeit und bald zur Modulationsmanie geworden ist. 14

Er führt dies an einigen Beispielen in op. 21, 22 und 23 aus und spart dabei auch nicht mit Verbesserungsvorschlägen.

 

Source situation

Here you can find some informations about sources: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Manuscript location: Staatsbibliothek zu Berlin, preussischer Kulturbesitz

The publication procured 1823 Sauer & Leidesdorf in Wien as Opus 21 - 2 | Publisher Number 276

Das Manuskript in der Staatsbibliothek Berlin preußischer Kulturbesitz ist zwar nur fragmentarisch erhalten (Es ist nur die leicht geänderte Singstimme notiert), jedoch ist dieses Autograph deshalb so interessant, weil sowohl Eusebius Mandyczewskis, Otto Erich Deutschs als auch vermutlich Mayrhofers Handschrift auf dem Dokument erscheinen. Den beiden Musikwissenschaftlern geht es um die Strophenverteilung. Das Manuskript kann online studiert werden.

Die Erst-Veröffentlichung besorgte Sauer & Leidesdorf als op. 21: 15

Auf der Donau. D 553
Der Schiffer. D 536
Wie Ulfru fischt. D 525
von Johann Mayerhofer.

Für eine Baßstimme mit Begleitung des Pianoforte in Musick gesetzt
und dem Verfasser der Gedichte gewidmet
von seinem Freunde
Franz Schubert.

 

Aus der amtlichen "Wiener Zeitung" vom 19. Juni 1823 16

 

In der k. k. privel. Kunst-, Alabsater- und Musikalienhandlung
von Sauer und Leidesdorf
in Wien, Kärntnerstraße Nr. 941, ist so eben neu erschienen:

Auf der Donau. Der Schiffer.
Wie Ulfru fischt.

Gedichte von J. Mayrhofer
In Musik gesetzt für eine Baßstimme, mit Begleitung des Pianoforte
von
Franz Schubert.

21tes Werk. Preis 1 fl. 30 kr W. W.

 

Scores

Old Schubert Edition, Series  XX, Vol. 05 № 318
New Schubert Edition  IV, Vol. 01
Friedlaender Edition  Bd. 2 » 52
Bärenreiter Urtext Edition  Bd. 1 » 121

Back to Lied-list