Wie Ulfru fischt

Zweite Fassung

D 525 Opus 21 - 3

Johann Baptist Mayrhofer 1787 - 1836

Artists: Peter Schöne - Baritone | Olga Monakh - Piano

Recording: Sunday, 03. October 2010 | Berlin

Lyrics

Die Angel zuckt, die Ruthe bebt,
Doch leicht fährt sie heraus.
Ihr eigensinn'gen Nixen gebt
Dem Fischer keinen Schmaus!
Was frommet ihm sein kluger Sinn,
Die [Fischlein{Schubert: "Fische"}] baumeln spottend hin –
Er steht am Ufer fest gebannt,
Kann nicht in's Wasser, ihn hält das Land.

Die glatte Fläche kräuselt sich,
Vom Schuppenvolk bewegt,
Das seine Glieder wonniglich
In sichern Fluthen regt.
Forellen zappeln hin und her,
Doch bleibt des Fischers Angel leer,
Sie fühlen, was die Freyheit ist,
Fruchtlos ist Fischers alte List.

Die Erde ist gewaltig schön,
Doch sicher ist sie nicht!
Es senden Stürme Eiseshöh'n;
Der Hagel und der Frost zerbricht
Mit einem Schlage, einem Druck,
Das gold'ne Korn, der Rosen Schmuck –
Den Fischlein [unter's weiche{Schubert: "unterm weichen"}] Dach,
Kein Sturm folgt ihnen vom Lande nach.

Johann Baptist Mayrhofer
Ergänzte Fotografie nach der Sepiazeichnung in Schwinds 'Schubertabend'
Österreichische Nationalbibliothek - Public domain

About poem

Johann Mayrhofer veröffentlichte seine Gedichte 1824 bei der eher kleinen Verlagsbuchhandlung Friedrich Volke in Wien. Diese Veröffentlichung ist als Digitalisat in der Österreichischen Nationalbibliothek online studierbar. Das Gedicht findet sich auf Seite 42. 1.1

Trotz intensiver Recherche ist es uns nicht gelungen, herauszufinden, wer Ulfru ist bzw. war. Michael Davidson und Henk Hillenaar deuten den Titel beispielsweise in ihrem Buch "Schubert and Mayrhofer":

"In the first stanza the identification seems to go to Ulfru the fisherman. He is the centre of the text. with his fishing gear, his wish to get a good meal out of the water and, above all, his growing disappointment. Ulfru's cunning is for naught. The fish win the match. In this context, the last line seems even rather strange; why should a fisherman enter the water? That has never been a successful technique to catch more fish. In the second stanza the poet reveals his real focus : he is on the side of the fish, identifies with them, and mocks the fisherman. He really enjoys their movements, their blithe swimming, their darting to and fro. Fish "feel what freedom is." However, the real surprise of this text is in the last stanza, where the identification with the fish assumes another dimension, in a surprisingly philosophical or symbolical fashion. Here, it seems that the poet cherishes the safety of the fish more than their freedom. They swim in "the safe waters", already mentioned in the second stanza, now contrasted with the insecurity of the earth, "beautiful" but not "safe." All the hazards of real life, "the little fish beneath their soft roof" do not know." 1.2

Die Deutung könnte aber auch ganz anders sein. Was, wenn Ulfru die Nixe wäre, die den Fischer in das Wasser locken möchte. - Wenn Ulfru fischt, dann fischt sie nach dem Fischer. - Das erklärt zumindest die sehnsüchtige dritte Strophe, denn unter der Wasserdecke scheint das Leben schöner zu sein als an Land. Eine ähnliche Thematik wie beispielsweise im Lied "Der Fischer".

"Wie Ulfru fischt" wurde und wird gern in Zusammenhang mit dem Lied "Die Forelle" gebracht. John Reed schreibt dazu in seiner "The Schubert song companion":

"It is difficult to avoid invidious comparisons with a roughly contemporary song, Die Forelle, which it closely resembles in tone and sentiment; and both songs show Schubert's mastery in the handling of the strophic song to produce a virtual identity of words and tune. But there is something in the stolid movement of this march tune which fails to match the lighthearted tone of the verses, so that it is quite overshadowed not only by Die Forelle but also by the two fine songs which make up op. 21" 1.3

About music

Written: January 1817
Publishing (announced): 19. June 1823
Original key:  D   minor
Songtype: Strophic song
Key recorded:  D   minor
Schubert's residence 1817

Mayrhofer war ein enger Freund Franz Schuberts und wohnte drei Jahre von 1819-1821 gemeinsam mit ihm in einer Wohngemeinschaft. Er schreibt am 23. Februar 1829 im Neuen Archiv für Geschichte, Staatenkunde, Literatur und Kunst in seinen Erinnerungen an Franz Schubert:

"Mein Verhältniß mit Franz Schubert wurde dadurch eingeleitet, daß ihm ein Jugendfreund das Gedicht „am See" – es ist das vierte in dem bei Volke 1824 erschienenen Bändchen – zur Komposition übergab. An des Freundes Hand betrat 1814 Schubert das Zimmer, welches wir 5 Jahre später gemeinsam bewohnen sollten. Es befindet sich in der Wipplingerstraße (heute Nr.2).
(...)
Dieses Grundgefühl, und die Liebe für Dichtung und Tonkunſt machten unser Verhältniß inniger; ich dichtete,er komponierte, was ich gedichtet, und wovon Vieles seinen Melodien Entstehung, Fortbildung und Verbreitung verdankt." 2.1

Dieser engen Beziehung verdanken wir 47 Gedichtvertonungen durch Schubert.

Das vorliegende Opus ist Johann Mayrhofer gewidmet

Schubert war 20 Jahre alt, als er dieses Lied schrieb.

In der Leipziger "Allgemeinen musikalischen Zeitung" vom 24. Juni 1824 erscheint eine Rezension der Lieder op. 21 - op. 24.
Diese Rezension ist als Digitalisat ist im Münchener Digitalisierungszentrum der Bayerischen Staatsbibliothek online verfügbar.
Der Rezensent G. W. Fink bemerkt, daß Schubert keine Lieder schreibt und auch keine schreiben will, sondern freie Gesänge, manche so frei, daß man sie allenfalls Kapricen oder Phantasien nennen kann. Er bemängelt bei Schubert die

ungebührlich heftige Neigung, nur immer fort und fort, ruh- und rastlos zu modulieren und wieder zu modulieren, die eine wahre Krankheit der Zeit und bald zur Modulationsmanie geworden ist. 2.2

Er führt dies an einigen Beispielen in op. 21, 22 und 23 aus, spart dabei auch nicht mit Verbesserungsvorschlägen:

Digitalisat online

Source situation

Here you can find some informations about sources: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

The publication procured 1823 Sauer & Leidesdorf in Wien as Opus 21 - 3 | Publisher Number 276

Die Veröffentlichung der hier vorliegenden zweiten Fassung besorgte Sauer & Leidesdorf als op. 21.

About publishing

Cover sheet Opus 21 4.1
Cover sheet Wiener Zeitung 19. June 1823 4.2

Scores

Old Schubert Edition, Series  XX, Vol. 05 № 296
New Schubert Edition  IV, Vol. 01
Friedlaender Edition  Bd. 4 » 16
Bärenreiter Urtext Edition  Bd. 2 » 126

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