Hektors Abschied

Zweite Fassung

D 312 Opus 58 - 1

Friedrich von Schiller 1759 - 1805

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Josefine Mindus - Sopran | Emanuel Ratiu - Klavier

Aufnahme: Sonntag, 10. Juni 2018 | Hannover

Liedtext

        Andromache.
Will sich Hektor ewig von mir wenden,
Wo Achill mit [den unnahbar'n{Schubert: "unnahbaren"}] Händen
Dem Patroklus schrecklich Opfer bringt?
Wer wird künftig deinen Kleinen lehren
Speere werfen und die Götter ehren,
Wenn der finstre Orkus dich verschlingt?

         Hektor.
Theures Weib gebiete deinen Thränen,
Nach der Feldschlacht ist mein feurig Sehnen,
Diese Arme schützen Pergamus.
Kämpfend für den heil'gen Heerd der Götter
Fall ich, und des Vaterlandes Retter
Steig' ich nieder zu dem styg'schen Fluß.

       Andromache.
Nimmer lausch' ich deiner Waffen Schalle,
Müßig liegt [dein{Schubert: "das"}] Eisen in der Halle,
Priams großer Heldenstamm verdirbt.
Du wirst hingeh'n wo kein Tag mehr scheinet,
Der Cocytus durch die Wüsten weinet,
Deine [Liebe in dem{Schubert: "Lieb' im"}] Lethe stirbt.

      Hektor.
All mein Sehnen will ich, all mein Denken,
In des [Lethe{Schubert (Manuskript und Erstdruck): "Lethes"}] stillen Strom versenken,
Aber meine Liebe nicht.
Horch! der Wilde tobt schon an den Mauern,
Gürte mir das Schwerdt um, laß das Trauern,
Hektors Liebe stirbt im Lethe nicht.

Urfassung aus Die Räuber von 1781

Willst dich, Hektor, ewig mir entreissen,
Wo des Anaciden mordend Eisen
Dem Patroklus schröklich Opfer bringt?
Wer wird künftig deinen Kleinen lehren
Speere werfen und die Götter ehren,
Wenn hinunter dich der Xanthus schlingt?

Theures Weib, geh, hol die Todeslanze,
Laß mich fort zum wilden Kriegestanze,
Meine Schultern tragen Ilium;
Ueber Astyanax unsre Götter!
Hektor fällt, ein Vater-Lands Erretter,
Und wir sehn uns wieder in Elysium.

Nimmer lausch ich deiner Waffen Schalle,
Einsam liegt dein Eisen in der Halle,
Priams grosser Heldenstamm verdirbt!
Du wirst hingehn, wo kein Tag mehr scheinet,
Der Cocytus durch die Wüsten weinet,
Deine Liebe in dem Lethe stirbt.

All mein Sehnen, all mein Denken
Soll der schwarze Lethefluß ertränken,
Aber meine Liebe nicht!
Horch! der Wilde raßt schon an den Mauren –
Gürte mir das Schwerd um, laß das Trauren,
Hektors Liebe stirbt im Lethe nicht!

Friedrich von Schiller
Ölgemälde ca. 1794 Ludovike Simanowiz
Wikimedia.org - Public domain

Zum Text

Hektors Abschied beschreibt eine Begebenheit aus dem Heldenepos Ilias von Homer, in der sich Hektor von seiner Frau Andromache zu seinem zu erwartenden letzten Kampf verabschiedet. Friedrich Schiller lässt in seinem Drama Die Räuber sein Gedicht zu dieser Begebenheit von Amalia von Edelreich in der 2. Szene des 2. Aktes singen.
Man kann den Erstdruck als Digitalisat der Koninklijke Bibliotheek - National Library of Netherlands bei Google-Books nachlesen.
Das Gedicht erschien 1800 in Gedichte von Friederich Schiller, Erster Theil, Leipzig, 1800, bey Siegfried Lebrecht Crusius. Es findet sich auf den Seiten 301-302.

Achill: Held der griechischen Mythologie -> Wikipedia

Patroklos: ein griechischer Kämpfer -> Wikipedia

Orkus: Unterwelt -> Wikipedia

Pergamos -> Wikipedia

Styg'scher Fluss -> Wikipedia

Priam: König von Troja -> Wikipedia

Cocytus: Seitenarm des Styx -> Wikipedia

Lethe: Strom der Unterwelt -> Wikipedia

Zur Musik

Komponiert: 19. Oktober 1815
Veröffentlichung (angezeigt): 6. April 1826
Originaltonart:  As - Dur
Liedform: Duett
Aufnahmetonart:  As - Dur
Schuberts Wohnort 1815

Schubert und Schiller sich nie begegnet, denn Schubert war erst 8 Jahre und 3 Monate alt, als Friedrich von Schiller in Weimar starb. Dennoch hatte Schubert ein inniges Verhältnis zu den Texten und Gedichten Friedrich Schillers.
Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Schubert 39 Texte von Schiller vertonte. Dazu zählen die ersten, uns bekannten Vertonungen ebenso wie einige der letzten, die Schubert schrieb.
Zählt man alle Fragmente und Entwürfe zusammen, die heute laut Deutschverzeichnis bekannt sind, so kommt man auf nicht weniger als 77 Werke, die uns vorliegen. Die meisten entstanden in der Jugend Schuberts. Allein 66 Kompositionen in der Zeit zwischen 1811 und 1817. In dieser Zeit war Schubert zwischen 14 und 20 Jahre alt.

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Die Veröffentlichung besorgte 1826 Thaddäus Weigl in Wien als Opus 58 - 1 | Verlagsnummer 2491-93

Zuerst als op. 56 veröffentlicht. Später korrigiert auf op. 58

Zur Veröffentlichung

Deckblatt Opus 58 4.1
Deckblatt Wiener Zeitung 6. April 1826 4.2

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 03 № 159
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 03

Originalversion des Liedes PDF Thumbnail Erstdruck PDF Thumbnail
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