Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Boris Cepeda - Klavier

Aufnahme: Dienstag, 13. Januar 2009 | Berlin

Liedtext

Mir ist so wohl, so weh
Am stillen Erlafsee.
Heilig Schweigen
In Fichtenzweigen.
Regungslos
Der [dunkle{Schubert: blaue}] Schooß;
Nur der Wolken Schatten flieh'n
[Überm glatten{Schubert: Überm dunklen}] Spiegel hin.

Feenbild, was willst du mir,
So umschwebst du mich auch hier?
Weiche aus dem Land der Hirten.
Hier gedeihen keine Myrthen;
Schilfgras nur und Tannenwucht
Kränzen diese stille Bucht.

Frische Winde
Kräuseln linde
Das Gewässer;
Und der Sonne
Güldne Krone
Flimmert blässer.

Ach, weine nicht, du süßes Bild!
Der Wellendrang ist bald gestillt,
Und glatter See, und Lüfte lau,
Erheitern dich, du Wunderfrau.

Des Sees Rand
Umschlingt ein Band,
Aus lichtem Grün gewunden:
Es ist der Fluß,
der treiben muß
Die Sägemühlen unten.

Unwillig krümmt er sich am Steg
Von seiner schönen Mutter weg,
Und fließt zu fernen Gründen.
Wirst, Liebe! auch mit holder Hand,
Des Sängers ernstes Felsenland,
Mit Blüthenroth umwinden?

Johann Baptist Mayrhofer
Ergänzte Fotografie nach der Sepiazeichnung in Schwinds 'Schubertabend'
Österreichische Nationalbibliothek - Public domain

Zum Text

Mayrhofer war im Herbst 1816 mit Hermann, dem Sohn seines Juraprofessors Heinrich Josef Watteroth auf einer Wanderung nach Lilienfeld in Niederösterreich auch am Erlafsee (heute Erlauffsee) vorbeigekommen. Die Reise führte auch nach Lunz am See und zum  Wallfahrtsort Mariazell. Vermutlich haben Sie auch viel über Schubert gesprochen. Das Gedicht Erlafsee D 586, sowie die Gedichte Lunz (Abschied) D 475 und besonders Geheimnis (An Franz Schubert) D 491 mögen unter diesem Eindruck entstanden sein. 1.1
Im Jahr 1818 erschien im 6. Jahrgang des Mahlerischen Taschenbuchs für Freunde interessanter Gegenden, Natur- und Kunst-Merkwürdigkeiten der Österreichischen Monarchie eine Beschreibung möglicherweise dieser Reise. Ebenso ein Kupferstich des Erlaphsees.

Der Herausgeber dieses Taschenbuches war Dr. Franz Sartori, Vorsteher des Zentral-Bücher-Revisions-Amtes und damit Mayrhofers Vorgesetzter. In dieser Veröffentlichung erschien auch als Beilage das erste jemals gedruckte Lied Franz Schuberts Erlafsee D 586. 1.2

Mayrhofer soll auch unglücklich verliebt gewesen sein in Mina (Wilhelmine Watteroth, die Tochter seines Professors Heinrich Josef Watteroth). 1.3 Diese heiratete jedoch später Josef Wilhelm Witteczek, der ebenfalls Jura bei Heinrich Josef Watteroth studiert hatte. 1.4

Johann Mayrhofer veröffentlichte seine Gedichte 1824 bei der eher kleinen Verlagsbuchhandlung Friedrich Volke in Wien. Diese Veröffentlichung ist als Digitalisat in der Österreichischen Nationalbibliothek online studierbar. Das Gedicht findet sich auf Seite 15. 1.5

Zur Musik

Komponiert: September 1817
Veröffentlichung (angezeigt): 24. Januar 1818
Originaltonart:  F - Dur
Liedform: A-B-A'
Aufnahmetonart:  D - Dur
Schuberts Wohnort 1817

Schubert vertonte die Strophen 1 & 3.

Mayrhofer war ein enger Freund Franz Schuberts und wohnte drei Jahre von 1819-1821 gemeinsam mit ihm in einer Wohngemeinschaft. Er schreibt am 23. Februar 1829 im Neuen Archiv für Geschichte, Staatenkunde, Literatur und Kunst in seinen Erinnerungen an Franz Schubert:

"Mein Verhältniß mit Franz Schubert wurde dadurch eingeleitet, daß ihm ein Jugendfreund das Gedicht „am See" – es ist das vierte in dem bei Volke 1824 erschienenen Bändchen – zur Komposition übergab. An des Freundes Hand betrat 1814 Schubert das Zimmer, welches wir 5 Jahre später gemeinsam bewohnen sollten. Es befindet sich in der Wipplingerstraße (heute Nr.2).
(...)
Dieses Grundgefühl, und die Liebe für Dichtung und Tonkunſt machten unser Verhältniß inniger; ich dichtete,er komponierte, was ich gedichtet, und wovon Vieles seinen Melodien Entstehung, Fortbildung und Verbreitung verdankt." 2.1

Dieser engen Beziehung verdanken wir 47 Gedichtvertonungen durch Schubert.

Franz Schubert war 20 Jahre alt, als er dieses Lied schrieb.

Ein Jahr zuvor schrieb er unter anderem die verschollene Prometheus-Kantate (o.g. Professor Watteroth gewidmet ... laut Schuberts Tagebuch, seine erste Komposition für Geld). 2.2

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Ort des Manuskripts: Wienbibliothek im Rathaus der Stadt Wien

Die Veröffentlichung besorgte 1818 Cappi und Diabelli in Wien als Opus 8 - 3 | Verlagsnummer 872

Ein fragmentarisches Autograph befindet sich in der Staatsbibliothek zu Berlin preußischer Kulturbesitz. Es kann ebenfalls online recherchiert werden.

Wie bereits beschrieben, erschien im Jahr 1818 im 6. Jahrgang des Mahlerischen Taschenbuchs für Freunde interessanter Gegenden, Natur- und Kunst-Merkwürdigkeiten der Österreichischen Monarchie das erste jemals gedruckte Lied Franz Schuberts Erlafsee D 586. 2.2

Ein Digitalisat des Erstdrucks kann auf google.com im o.g. Taschenbuch gefunden und online recherchiert werden. Nach S. 186 3.1

Aus der amtlichen Wiener Zeitung vom 24. Januar 1818: 3.2

Bey Anton Doll, dem jüngern, Buchhändler,
in der Bischofgasse nächst dem Lichtensteg, dem großen
Federlhof gegenüber, ist neu zu haben:

Mahlerisches Taschenbuch
für Freunde interessanter Gegenden, Natur- und Kunst-Merkwürdigkeiten der Österr. Monarchie.
Von Dr. F. Sartori.
Sechster Jahrgang. Mit 5 Kupfern. 8.1818.
In geschmackvollen Umschlag brosch. 6 fl. - Alle 6 Jahrg. 36 fl.
Die Schilderung der majestätischen Donau, dieses herrlichen wahrhaft österreichischen Hauptstromes, der hochberühmt durch die Schönheit seiner Ufer, und der Städte, Markflecken und Ritterburgen an denselben, jedem Freunde vaterländischer Merkwürdigkeiten von hohem Interesse ist, eröffnet den Kranz der Aufsätze dieses Taschenbuches, die in Hinsicht seiner Gegenstände und seines innern Gehaltes, sowohl als seines reizenden und lebhaften Vortrags noch alle Jahre größern Beifall gefunden hat.
Auch in diesem Jahre sprechen besonders Buchlau, der Wohnsitz des unsterblichen Menschenfreundes Grafen Berchtold, die vortrefflich geschilderten Ruinen von Altkring in Kärnten, von Jos. Mitterdorfer, die Festung Peterwardein in Ungarn, dieses ungarische Gibraltar, die Reise nach Lunz in Österreich, und die zwei zarten sinnigen Gedichte von Joh. Mayrhofer: auf der Donau und am Erlafsee, wovon das letzte mit einer eben so genialen als lieblichen Musik von Schubert begleitet ist, den gefühlvollen Leser auf die angenehmste Art an.
Die Schönheit und Eleganz dieses Taschenbuches ist längst bekannt. Die Kupfer sind eben so überraschend als meisterhaft gearbeitet, und bieten bei der Lektüre des Werkes das größte Vergnügen.

Zur Veröffentlichung

Deckblatt Opus 8 4.1
Deckblatt Wiener Zeitung 24. Januar 1818 4.2

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 05 № 331
Friedlaender Edition  Bd. 2 » 19
Bärenreiter Urtext Edition  Bd. 1 » 63

Originalversion des Liedes PDF Thumbnail Erstdruck PDF Thumbnail

Quellen

1.1Peter Härtling, Schubert, Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2010, Abschnitt 16 sowie Otto Erich Deutsch, Schubert, Die Dokumente seines Lebens, Bärenreiter Kassel, 1964, S. 50

1.2Mahlerisches Taschenbuch für Freunde interessanter Gegenden: Natur- und Kunst-Merkwürdigkeiten der Österreichischen Monarchie, Verlag Doll, Herausg. Franz Sartori, Wien, Jhg. 1818, Signatur: SH.Varia.118.Adl.

1.3Wikipedia: Johann Mayrhofer, Wikipedia contributors, Wikipedia, The Free Encyclopedia. Date of last revision: 28 October 2018 21:11 UTC

1.4WienGeschichteWiki: Heinrich Joseph Watteroth, Personendaten.

1.5Österreichische Nationalbibliothek - Digitalisierte Sammlungen, Gedichte von Johann Mayrhofer, Wien, Verlag Friedrich Volke, 1824, Sig. 71.Bb.5.(Vol.1)

2.1Österreichische Nationalbibliothek, Digitalisierte Sammlungen, Neues Archiv für Geschichte, Staatenkunde, Literatur und Kunst, Sig. 392789-C.20.21

2.2 Kreissle von Hellborn, Heinrich: Franz Schubert, Erstdruck: Wien (Carl Gerolds Sohn) 1865. S. 104

3.1www.google.com, Google Books, Erstdruck im Mahlerischen Taschenbuch 1818  - siehe unter 2.2

3.2Österreichische Nationalbibliothek, Digitalisierte Sammlungen, ANNO, Digitalisierte Zeitungen und Zeitschriften, Wiener Zeitung Jhg. 1818, Ausgabe vom 24. Januar, S. 12

4.1 Österreichische Nationalbibliothek, Digitalisierte Sammlungen Der Jüngling auf dem Hügel von Heinrich Hüttenbrenner. Sehnsucht, Erlafsee und am Strome von Mayrhofer. Für eine Singstimme mit Begleitung des Piano-Forte in Musik gesetzt, und dem hochgebohrnen Herrn Joh: Carl Grafen Esterhàzy von Galantha k:k: würklichen Kämmerer &. ehrfurchtsvoll gewidmet von Franz Schubert. No 872. 8tes Werk. Eigenthum der Verleger. (Gesang, Klavier.)’ Wien: Cappi und Diabelli

4.2 Österreichische Nationalbibliothek, Anno - Historische österreichische Zeitungen und Zeitschriften - Wiener Zeitung Jhg. 1818 Ausgabe vom 24. Januar 4

5.1Noten-Quelle auf imslp.org o.ä.: Erlafsee

6.1Textquelle und alternative Kompositionen: www.lieder.net

7.1Otto E. Deutsch: Franz Schubert. Thematisches Verzeichnis seiner Werke in chronologischer Folge - Seite 340

Geschrieben von: Peter Schöne

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