Die vier Weltalter

D 391 Opus 111 - 3

Friedrich von Schiller 1759 - 1805

Artists: Peter Schöne - Baritone | Christoph Schnackertz - Piano

Recording: Thursday, 21. July 2011 | Erfurt

Lyrics

Wohl perlet im Glase der purpurne Wein,
Wohl glänzen die Augen der Gäste,
Es zeigt sich der Sänger, er tritt herein,
Zu dem Guten bringt er das Beste,
Denn ohne die [Leier{Schubert Erstdruck: Leyer}] im himmlischen Saal
Ist die Freude gemein auch [beim{Schubert Erstdruck: beym}] Nektarmahl.
 
Ihm gaben die Götter das reine Gemüth,
Wo die Welt sich, die [ewige{Schubert: ew'ge}], spiegelt,
Er hat alles gesehn, was auf Erden geschieht,
Und was uns die Zukunft versiegelt,
Er saß in der Götter urältestem Rath,
Und behorchte der Dinge geheimste Saat.
 
Er breitet es lustig und glänzend aus
Das zusammengefaltete Leben,
Zum Tempel schmückt er das irdische Haus,
Ihm hat es die Muse gegeben,
Kein Dach ist so niedrig, keine Hütte so klein,
Er führt einen Himmel voll Götter hinein.
 
Und wie der erfindende Sohn des Zeus
Auf des Schildes einfachem Runde
Die Erde, das Meer und den Sternenkreis
Gebildet mit göttlicher Kunde,
So drückt er ein Bild des unendlichen All
In des Augenblicks flüchtig verrauschenden Schall.
 
Er kommt aus dem kindlichen Alter der Welt,
Wo die Völker sich jugendlich freuten,
Er hat sich, ein fröhlicher Wandrer, gesellt
Zu allen Geschlechtern und Zeiten.
Vier Menschenalter hat er gesehn,
Und läßt sie am Fünften vorübergehn.
 
Erst regierte Saturnus schlicht und gerecht,
Da war es Heute wie Morgen,
Da lebten die Hirten, ein harmlos Geschlecht,
Und brauchten für gar nichts zu sorgen,
Sie liebten und thaten weiter nichts mehr,
Die Erde gab alles [freiwillig{Schubert Erstdruck: freywillig}] her.
 
Drauf kam die Arbeit, der Kampf begann
Mit Ungeheuern und Drachen,
Und die Helden fingen, die Herrscher, an,
Und den Mächtigen suchten die Schwachen,
Und der Streit zog in des Skamanders Feld,
Doch die Schönheit war immer der Gott der Welt.
 
Aus dem Kampf [gieng{Schubert Erstdruck: ging}] endlich der Sieg hervor,
Und der Kraft entblühte die Milde,
Da sangen die Musen im himmlischen Chor,
Da erhuben sich Göttergebilde!
Das Alter der göttlichen Phantasie,
Es ist verschwunden, es kehret nie.
 
Die Götter sanken vom Himmelsthron,
Es stürzten die herrlichen Säulen,
Und geboren wurde der Jungfrau Sohn,
Die Gebrechen der Erde zu heilen,
Verbannt ward der Sinne flüchtige Lust,
Und der Mensch griff denkend in seine Brust.
 
Und der eitle, der üppige Reiz entwich,
Der die frohe Jugendwelt zierte,
Der Mönch und die Nonne zergeisselten sich,
Und der eiserne Ritter turnierte.
Doch war das Leben auch finster und wild,
So blieb doch die Liebe lieblich und mild.
 
Und einen heiligen keuschen Altar
Bewahrten sich stille die Musen,
Es lebte, was edel und sittlich war,
In der Frauen züchtigem Busen,
Die Flamme des Liedes entbrannte neu
An der schönen Minne und Liebestreu.
 
Drum soll auch ein ewiges zartes Band
Die Frauen, die Sänger umflechten,
Sie wirken und weben Hand in Hand
Den Gürtel des Schönen und Rechten.
Gesang und Liebe in schönem Verein
Sie erhalten dem Leben den Jugendschein.

Friedrich von Schiller
Ölgemälde ca. 1794 Ludovike Simanowiz
Wikimedia.org - Public domain

About poem

Von Schiller als Tafellied konzipiert - von Schubert als ebensolches umgesetzt.
Die ersten fünf Strophen sind als Einleitung gedacht und stellen die Welt dar,
In der sechsten Strophe wird das goldene Zeitalter geschildert
in der 7. das der Heroen
Skamander -> Flußgott in der Landschaft Troas
in der 8. das Blüthenalter griechischer Kunst und Bildung
in der 9. die Erscheinung des Christenthums
in der 10. das Mittelalter mit seinen Licht- und Schattenseiten
in der 11. die Zeit der Minnesänger
In der Schlußstrophe wird den bei der Tafel anwesenden Frauen eine Huldigung dargebracht.
Vorlage waren sicher die Weltalter der Antike von Ovid oder Hesiod
Das Nektarmahl in Strophe 1 wurde durch Apollo’s Saitenspiel und den Gesang der Musen verschönert.
Der erfindende Sohn des Zeus in Strophe 4 ist Vulkan
Strophe 7 bezieht sich auf die schöne Helena, um deretwillen der trojanische Krieg geführt wurde.

Veröffentlicht erstmals in Gedichte von Friederich Schiller, Zweiter Theil, Zweite, verbesserte und vermehrte Auflage, Leipzig, 1805, bei Siegfried Lebrecht Crusius, S. 33ff.

Digitalisat online

About music

Written: March 1816
Publishing (announced): 5. Febuary 1829
Original key:  G   major
Songtype: Strophic song
Key recorded:  C   major
Schubert's residence 1816

Schubert und Schiller sind sich nie begegnet, denn Schubert war erst 8 Jahre und 3 Monate alt, als Schiller starb. Dennoch prägten die Ideale Schillers auf vielfältige Weise Schuberts Entwicklung zu einem genialen Tonsetzer und inspirierten ihn immer wieder zu Vertonungen.
Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Schubert fast 40 Texte von Schiller in Musik fasste. Dazu zählen die ersten uns bekannten Vertonungen ebenso wie einige der letzten, die er schrieb.
Zählt man alle Fragmente und Entwürfe zusammen, die heute laut Deutschverzeichnis bekannt sind, so kommt man auf nicht weniger als 77 Werke, die uns vorliegen. Die meisten entstanden in der Jugend Schuberts. Allein 66 Kompositionen in der Zeit zwischen 1811 und 1817. In dieser Zeit war Schubert zwischen 14 und 20 Jahre alt. Darunter finden sich so herrliche Stücke wie Gruppe aus dem Tartarus, Der Taucher, Sehnsucht, Die Götter Griechenlands oder Der Pilgrim.

Schubert schrieb am  31. März 1824 einen Brief an Leopold Kupelwieser, der zu dieser Zeit eine Reise nach Italien unternahm. Vielleicht entspringt das folgende Zitat aus diesem Brief der frühen Begeisterung Schuberts und seines Freundeskreises für Schillers Ideen zu ästhetischen Erziehung des Menschen.

Eine Schönheit soll den Menschen durch das ganze Leben begeistern – wahr ist es – doch soll der Schimmer dieser Begeisterung alles andere erhellen. 2.1

Von Schiller als Tafellied konzipiert - von Schubert als ebensolches umgesetzt.

Schubert symbolisiert mit der durchgehenden Sechzehntelbegleitung den Flug der Zeit.

Source situation

Here you can find some informations about sources: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

The publication procured 1829 Josef Czerny in Wien as Opus 111 - 3 | Publisher Number 335

Die Veröffentlichung besorgte Josef Czemy als 111tes Werk, VN 335, Wien

About publishing

Cover sheet Opus 111 4.1

Scores

Old Schubert Edition, Series  XX, Vol. 04 № 196
New Schubert Edition  IV, Vol. 10
Friedlaender Edition  Bd. 4 » 130

Original version PDF Thumbnail First edition PDF Thumbnail
Back to Lied-list