Vor meiner Wiege

D 927 Opus 106 - 3

Karl Gottfried von Leitner 1800 - 1890

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Boris Cepeda - Klavier

Aufnahme: Donnerstag, 05. Februar 2009 | Erfurt

Liedtext

Das also, das ist der enge Schrein,
Da lag ich [im Windeln{Schubert: einstens}] als Kind darein?
Da lag ich gebrechlich, hülflos und stumm,
Und zog nur zum Weinen die Lippen krumm.

Ich konnte nichts fassen mit Händchen zart,
Und war doch gebunden nach Schelmenart;
Ich hatte Füßchen, und lag doch wie lahm,
Bis Mutter an ihre Brust mich nahm.

Dann lachte ich saugend zu ihr empor,
Sie sang mir von Rosen und Engeln vor.
Sie sang und sie wiegte mich singend in Ruh',
Und küßte mir liebend die Augen zu.

Sie spannte aus Seide gar dämmerig-grün,
Ein kühliges Zelt hoch über mich hin;
[Wann{Schubert: Wo}] find' ich [nun{Schubert: nur}] wieder solch friedlich Gemach?
Vielleicht, wenn das grüne Gras mein Dach.

O Mutter! lieb Mutter, bleib' lange noch hier;
Wer sänge dann tröstlich von Engeln mir?
Wer küßte mir liebend die Augen zu
Zur langen, zur letzten und tiefesten Ruh'?

Gedichte von Carl Gottfried Ritter 1825

Karl Gottfried von Leitner
Lithographie von Kriehuber
Österreichische Nationalbibliothek - Public domain

Zum Text

Das Gedicht Vor meiner Wiege von Karl Gottfried von Leitner wurde veröffentlicht im Jahr 1825 in Gedichte von Carl Gottfried Ritter von Leitner, Wien, gedruckt bei Johann Paul Sollinger. Es findet sich auf Seite 50f..

Digitalisat online

Zur Musik

Komponiert: 1827
Veröffentlichung (angezeigt): 1828
Originaltonart:  h - moll
Liedform: Strophenlied
Aufnahmetonart:  a - moll
Schuberts Wohnort 1827

Leitner und Schubert sind sich nie begegnet, wie Leitner selbst bezeugte.

Heinrich Kreissle von Hellborn schreibt in seinen biografischen Notizen zu Franz Schubert:

Auch der Dichter Gottfried Ritter von Leitner, der um das Jahr 1825 in die Familie eingeführt worden war, gehörte dem auserlesenen Kreise an, von welchem sich diese fortan umgeben sah, und jene von seinen Gedichten, welche Schubert in den Jahren 1827 und 1828 in Musik setzte, waren diesem von Frau Marie Pachler zur Composition empfohlen worden. 2.1

Allerdings schreibt Leitner selbst am 28. März 1858 an Ferdinand Luib:

Leider kann ich den in Ihrem verehrten Schreiben vom 17. d. M. ausgesprochenen Wünschen nicht in vollem Umfange entsprechen; denn mein Freund Dr. Faust Pachler hat sich in meinen Beziehungen zu Schubert geirrt, indem dieser während meiner zufälligen Abwesenheit von Graz hier auf Besuch war, und ich ihn überhaupt nie persönlich kennen lernte. 2.2

Und an Heinrich Schubert schreibt er am 24. Dezember 1881:

... Ich erlaube mir, in Bezug auf mein Verhältnis zu Franz Schubert einen Irrtum zu berichtigen, der sich in einigen Biographien Ihres berühmten Verwandten eingeschlichen hat, und den Sie auch zu theilen scheinen. Ich habe nämlich leider nicht die Ehre genossen, ihn zu meinen persönlichen Bekannten zählen zu dürfen. Unsere künstlerischen Beziehungen wurden immer nur durch andere vermittelt. ...
und weiter:
... aber Dr. Pachlers kunstsinnige Gemahlin, Marie Pachler, eine Virtuosin auf dem Pianoforte ... machte Schubert auf die im Sommer 1825 erschienene erste Auflage meiner Gedichte aufmerksam und verehrte ihm ein Exemplar dieses kleinen Bändchens. 2.3

Im Lied gibt es eine Stelle, die eine starke Ähnlichkeit zu Des Fischers Liebesglück D 933 aufweist.
Vergleiche Vor meiner Wiege T. 12-13 und Des Fischers Liebesglück T.7-8 bzw. 17-18
In beiden Liedern taucht die Figur sowohl in Moll als auch später in Dur auf.
Beide Lieder wurden in zeitlicher Nähe voneinander komponiert.

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Ort des Manuskripts: National Széchényi Library

Die Veröffentlichung besorgte 1828 Lithographisches Institut unter der Leitung von Franz von Schober in Wien als Opus 106 - 3

Das Autograph liegt in der Ungarischen Nationalbibliothek, Budapest.

In späteren Auflagen wurde die Opuszahl 106 hinzugefügt.

Zur Veröffentlichung

Deckblatt Opus 106 4.1

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 09 № 547
Friedlaender Edition  Bd. 4 » 109
Bärenreiter Urtext Edition  Bd. 4 » 27

Originalversion des Liedes PDF Thumbnail Erstdruck PDF Thumbnail
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