Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Holger Berndsen - Klavier
Aufnahme: Montag, 15. August 2016 | München
Liedtext
Ein Fräulein klagt' im finstern Thurm,
Am Seegestad' erbaut.
Es rauscht' und heulte Wog' und Sturm
In ihres Jammers Laut.
Rosalia von Montanvert
Hieß manchem Troubadour,
Und einem ganzen Ritterheer
Die Krone der Natur.
Doch ehe noch ihr Herz die Macht
Der süßen Minn' empfand,
Erlag der Vater in der Schlacht
Am Sarazenenstrand.
Der Ohm, ein Ritter Manfry, ward
Zum Schirmvogt ihr bestellt;
Dem lacht' ins Herz, wie Felsen hart,
Des Fräuleins Gut und Geld.
Bald überall im Lande ging
Die Trauerkund' umher:
»Des Todes kalte Nacht [umfieng{Matthisson (Wien 1810 edition), Schubert: "empfing"}]
Die Rose Montanvert.«
Ein schwarzes Todtenfähnlein wallt
Hoch auf des Fräuleins Burg;
Die dumpfe Leichenglocke schallt
Drei Tag' und Nächt' hindurch.
Auf ewig hin, auf ewig todt,
O Rose Montanvert!
[Nun{Schubert (2. Fassung): "Jetzt"}] milderst du der Wittwe Noth,
Der Waise Schmerz nicht mehr.
So klagt' einmüthig Alt und Jung,
Den Blick von Thränen schwer,
Vom Frühroth bis zur Dämmerung,
Die Rose Montanvert.
Der Ohm in einem Thurm sie barg
Erfüllt mit Moderduft.
Drauf senkte man den leeren Sarg
Wohl in der Väter Gruft.
Das Fräulein horchte, still und bang,
Der Priester Litaney'n;
Trüb' in des Kerkers Gitter drang
Der Fackeln rother Schein.
Sie ahnte schaudernd ihr Geschick,
Ihr ward so [dumpf und schwer{Schubert (1. Fassung): "dumpf, so schwer"; Schubert (2. Fassung): "dumpf, ihr ward so schwer"}];
[Im Todesgraun{Matthisson (Wien 1810), Schubert: "Im Todesgram"; Matthisson (Tübingen 1811), AGA: "In Todesnacht"}] erstarb ihr Blick,
Sie sank und war nicht mehr.
Des Thurms Ruinen an der See
Sind heute noch zu schaun.
Den Wandrer faßt in ihrer Näh'
Ein wundersames Graun.
Auch mancher Hirt verkündet euch,
Daß er, bey Nacht, allda
Oft, einer Silberwolke gleich,
Das Fräulein schweben sah.
Zum Text
Das 1791 entstandene Gedicht Romanze von Friedrich Matthisson wurde 1802 beim Verlag Orell, Füssli und Compagnie, Zürich veröffentlicht. Es findet sich dort auf S. 283. 1.1
Matthisson war 30 Jahre alt, als er das Gedicht schrieb.
Weitere Ausgaben dieses Gedichtes:
1803 Matthisson, Gedichte, Seite 231 1.2
1810 Matthisson, Gedichte; Neueste verbesserte Auflage, Seite 231 1.3
Zur Musik
Im April 1814 begann Schubert eine ganze Reihe von Gedichten Matthissons zu vertonen. Fast alle Kompositionen stammen aus der Zeit zwischen 1814 und 1816. Am Ende werden es 32 Gedichte sein, die Schubert in Musik setzte, einige von ihnen mehrfach.
Lebenslied schrieb er 1814 im Alter von 17 Jahren.
Quellenlage
Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch
Ort des Manuskripts: Staatsbibliothek zu Berlin, preussischer Kulturbesitz
Die Veröffentlichung besorgte 1902 Josef Mantuani in Die Musik I, 1901/02, Notenbeilage nach 5.1524
Ein Manuskript der Ersten Fassung liegt in der Österreichischen Nationalbibliothek. Es wurde erst 1898 wiederentdeckt. Zusammen mit anderen Autographen von Schubert und einem von Beethoven lag es verstaubt auf dem Kirchenchor von St. Peter in Wien.
Über die Entdeckung und die vier Jahre später erfolgte Veröffentlichung durch Josef Mantuani kann man einen Bericht aus erster Hand in der Zeitschrift Die Musik Jhg. 1902 auf den Seiten 1373-1391 lesen. Ein Digitalisat findet sich hier. 3.1
Das Manuskript der Zweiten Fassung liegt in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz.
Quellen
1.2 Matthisson, Friedrich von; Gedichte; Verlag: Franz Haas, Wien & Prag; 1803
4.1 1. Fassung: Die Musik 1, 1901/02, Notenbeilage nach S. 1384, ed. Josef Mantuani.
5.1Noten-Quelle auf imslp.org o.ä.: Romanze
6.1Textquelle und alternative Kompositionen: www.lieder.net
Geschrieben von: Peter Schöne