Der stürmische Morgen

D 911 Opus 89 - 18

Wilhelm Müller 1794 - 1827

Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Christoph Schnackertz - Klavier

Aufnahme: Mittwoch, 15. Dezember 2021 | Saarbrücken

Liedtext

Wie hat der Sturm zerrissen
Des Himmels graues Kleid!
Die Wolkenfetzen flattern
Umher im mattem Streit.

Und rothe Feuerflammen
Ziehn zwischen ihnen hin.
Das nenn' ich einen Morgen
So recht nach meinem Sinn!

Mein Herz sieht an dem Himmel
Gemahlt sein eignes Bild -
Es ist nichts als der Winter,
Der Winter kalt und wild!

Wilhelm Müller
Portrait von Johann Friedrich Schröter
Wikimedia.org - Public domain

Zum Text

Das Gedicht Der stürmische Morgen von Wilhelm Müller wurde veröffentlicht im Jahr 1823 in Deutsche Blätter für Poesie, Litteratur, Kunst und Theater. Herausgegeben von Karl Schall und Karl von Holtei. Breslau 1823, bei Graß, Barth und Comp. No. XLI. 13. März 1823. Es findet sich auf Seite 162.

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Weitere Veröffentlichungen:

Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Herausgegeben von Wilhelm Müller. Zweites Bändchen. Deßau, 1824, Seite 95

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Zur Musik

Komponiert:  Oktober   1827
Veröffentlichung (angezeigt):  30. Dezember   1828
Originaltonart:  d - moll
Liedform:   durchkomponiert
Aufnahmetonart:  d - moll
Schuberts Wohnort 1827 | Tuchlauben 14 Wien

Franz Schubert, Wilhelm Müller und die "Winterreise" - eine schaurige Kombination. Es scheint, als hätten sie beschlossen, den einsamen Wanderer im Winter auf eine Reise mitzunehmen, und jeder, der ihnen begegnet, sollte in Depressionen versinken. Helle Seiten findet man nur selten. Es überwiegt die Melancholie.

Schubert vertonte zuerst nur die 12 Gedichte, die in Urania erschienen waren und setzte ein großes Fine hinter den abschließenden Taktstrich. Offenbar gelangten die Gedichte des zweiten Teils erst später in seine Hand, denn er vertonte diese ab Oktober 1827.

Am 7. Oktober 1829 erschien eine umfangreiche Rezension in der Allgemeinen musikalischen Zeitung Leipzig (in der auch bereits zu Lebzeiten Schuberts einige Rezensionen anderer Lieder erschienen waren), 31. Jhg.

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Historischer Hintergrund – Metternichs Überwachungsstaat

Nach dem Wiener Kongress (1815) und den Karlsbader Beschlüssen (1819) etablierte Fürst Metternich ein rigides System der Zensur und Überwachung. Intellektuelle Aktivitäten wurden streng kontrolliert; Zensurbehörden, Spitzelnetzwerke und Aufsichtspersonen waren allgegenwärtig. In Wien gab es zeitweise rund 2.000 intellektuelle Agenten, die den Kulturbetrieb überwachten. Wilhelm Müllers Texte – darunter auch jene der Winterreise – gerieten zunehmend ins Visier.

Der stürmische Morgen bietet mit seinen knappen, kraftvollen Naturbildern eine Projektionsfläche für das innere Erleben eines Individuums unter dem Druck eines autoritären Systems. Die tosende Wetterlandschaft – „Wie hat der Sturm zerrissen des Himmels graues Kleid!“ – kann als Spiegelbild eines gesellschaftlichen Klimas gelesen werden, in dem Unruhe, Gewalt und Bedrohung allgegenwärtig sind. Die „Wolkenfetzen“ und der „rote Feuerbrand“, der „durch die Luft gejagt“ wird, evozieren ein Bild von Chaos und Bedrohung, das über das rein Meteorologische hinausweist. In einer politischen Deutung ließen sich diese Bilder als Ausdruck eines latent gewaltbereiten Systems lesen, das mit Einschüchterung und Zersetzung arbeitet.

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Ort des Manuskripts: The Morgan Library New York

Die Veröffentlichung besorgte 1828 Tobias Haslinger in Wien als Opus 89 - 18 | Verlagsnummer 5118

Erschien posthum kurz nach Schuberts Tod.

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 09 № 534
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 04
Friedlaender Edition  Bd. 1 » 106
Bärenreiter Urtext Edition  Bd. 3 » 86

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