Sr. Wohlgeboren des Herrn Franz Schubert in D. G. Wien.
Während meines Aufenthaltes in Wien gab mir Herr Schickh das Versprechen, daß ich die Freude haben sollte, Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen; ich wartete vergebens, und ich mußte leider abreisen, ohne Gewährung meines Wunsches. Erlauben Sie mir nun, Ihnen schriftlich zu sagen, wie sehr mich Ihre Lieder entzücken, und welchen Enthusiasmus sie der Gesellschaft gewähren (erregen), wo ich selbe vortrage.
Alles dieses macht mich so dreist, Ihnen ein Gedicht zuzuschicken, welches ich Sie inständigst bitte, wenn es Ihre Muse erlaubt, für mich zu komponieren. Sie würden mich dadurch unendlich beglücken; indem ich wünschte, es in Konzerten vorzutragen, daher ich so frei bin, die einzige Bemerkung zu machen, für ein großes Publikum die Komposition zu berechnen. Ich habe vernommen, daß Sie mehrere Opern geschrieben, und wünsche, von Ihnen zu erfahren, ob Sie nicht geneigt wären, eine Oper in Berlin geben zu lassen, und ob ich mich für Sie bei der Intendanz verwenden kann, oder soll.
Dieselbe Frage richtete ich an Vogl über diesen Gegenstand. Wahrscheinlich ist Freund Vogl nicht in Wien, sonst hätte ich Antwort hierüber erhalten; sehen Sie ihn, bitte ich, herzliche Grüße von mir zu entrichten, und sagen ihm, ich würde durch eine Nachricht von ihm sehr beglückt sein.
In der Hoffnung einer baldigen erfreulichen Antwort von Ihnen, habe ich die Ehre achtungsvoll zu nennen
Ihre
ergebenste Dienerin
Anna Milder.
Berlin, d. 12ten Dezember 824.
Milder-Hauptmann, Pauline Anna: Brief an Franz Schubert. Berlin, 12.12.1824. Wienbibliothek im Rathaus. Public Domain Mark 1.0