Der Taucher

Erste Fassung

D 77

Friedrich von Schiller 1759 - 1805

Artistes: Peter Schöne - Baryton | Holger Berndsen - Piano

Enregistrement: lundi, 25. mars 2024 | Saarbrücken

Paroles

Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp,
Zu tauchen in diesen Schlund?
Einen goldnen Becher werf ich hinab,
Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund.
Wer mir den Becher kann wieder zeigen,
Er mag ihn behalten, er ist sein eigen.

2. Der König spricht es und wirft von der Höh
Der Klippe, die schroff und steil
Hinaushängt in die unendliche See,
Den Becher in der Charybde Geheul.
Wer ist der Beherzte, ich frage wieder,
Zu tauchen in diese Tiefe nieder?

3. Und die Ritter{S}, die{S  und} Knappenum ihn her
Vernehmen's und schweigen still,
Sehen hinab in das wilde Meer,
Und keiner den Becher gewinnen will.
Und der König zum drittenmal wieder fraget:
Ist keiner, der sich hinunter waget?

4. {S}Doch{S Und} alles noch stumm bleibt wie zuvor,
Und ein Edelknecht, sanft und keck,
Tritt aus der Knappen zagendem Chor,
Und den Gürtel wirft er, den Mantel weg,
Und alle die Männer umher und Frauen
Auf den herrlichen Jüngling verwundert {S}schauen{S schaun}.

5. Und wie er tritt an des Felsen Hang,
Und blickt in den Schlund hinab,
Die Wasser, die sie hinunter schlang,
Die Charybde jetzt brüllend wiedergab,
Und wie mit des {S}fernen Donners{S Donners fernem} Getose
Entstürzen sie schäumend dem finstern Schooße.

6. Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,
Bis zum Himmel {S}sprützet{S spritzet} der dampfende Gischt,
Und Flut auf Flut sich ohn' Ende drängt,
Und will sich nimmer erschöpfen und leeren,
Als wollte das Meer noch ein Meer gebähren.

7. Doch endlich, da legt sich die wilde Gewalt,
Und schwarz aus dem weißen Schaum
Klafft hinunter ein gähnender Spalt,
Grundlos, als gieng's in den Höllenraum,
Und reissend sieht man die brandenden Wogen
Hinab in den strudelnden Trichter gezogen.

8. Jetzt schnell, eh' die Brandung {S}wiederkehrt{S wiederkehret},
Der Jüngling sich Gott befiehlt,
Und - ein Schrei des Entsetzens wird rings {S}gehört{S gehöret},
Und schon hat ihn der Wirbel {S}hinweggespült{S hinweg gespült};
Und geheimnißvoll über dem kühnen Schwimmer
Schließt sich der Rachen, er zeigt sich nimmer.

9. Und stille wird's über dem Wasserschlund,
In der Tiefe nur brauset es hohl,
Und bebend hört man von Mund zu Mund:
Hochherziger Jüngling, fahre wohl!
Und hohler und hohler hört man's heulen,
Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen.

10. Und wärfst du die Krone selber hinein,
Und sprächst: wer mir bringet die Kron,
Er soll sie tragen und König seyn,
Mich gelüstete nicht nach dem theuren Lohn.
Was die heulende Tiefe da unten verhehle,
Das erzählt keine lebende glückliche Seele.

11. Wohl manches Fahrzeug, vom Strudel gefaßt,
Schoß gäh in die Tiefe hinab,
Doch zerschmettert nur rangen sich Kiel und Mast
Hervor aus dem alles verschlingenden Grab -
Und heller und heller wie Sturmes Sausen
Hört man's näher und immer näher brausen.

12. Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,
Bis zum Himmel {S}sprützet{S spritzet} der dampfende Gischt,
Und {S}Well' auf Well'{S Fluth auf Fluth} sich ohn' Ende drängt,
Und wie mit des fernen Donners Getose
Entstürzt es brüllend dem finstern Schooße.

13. Und sieh! aus dem finster flutenden Schooß
Da hebet sich's schwanenweiß,
Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß
Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiß,
Und er ist's, und hoch in seiner Linken
Schwingt er den Becher mit freudigem Winken.

14. Und athmete lang und athmete tief,
Und begrüßte das himmlische Licht.
Mit Frohlocken es einer dem andern rief,
Er lebt! Er ist da! Es behielt ihn nicht.
Aus dem Grab, aus der strudelnden Wasserhöhle
Hat der Brave gerettet die lebende Seele.

15. Und er kommt, es umringt ihn die jubelnde Schaar,
Zu des Königs Füßen er sinkt,
Den Becher reicht er ihm knieend dar,
Und der König der lieblichen Tochter winkt,
Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande;
Und der Jüngling sich also zum König wandte:

16. {S}Lang{S Lange} lebe der König! Es freue sich,
Wer da athmet im rosigten Licht!
{S}Da unten aber{S Aber da unten} ist's fürchterlich,
Und der Mensch versuche die Götter nicht,
Und begehre nimmer und nimmer zu schauen,
Was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen.

17. Es riß mich hinunter blitzesschnell,
Da stürzt' mir aus felsigtem Schacht,
{S-}Wildflutend{S-} entgegen ein reissender Quell,
Mich packte des Doppelstrom's wüthende Macht,
Und wie einen Kreisel mit schwindelndem Drehen
{S}Trieb mich's{S Trieb's mich} um, ich konnte nicht {S}widerstehen{S widersteh'n}.

18. Da zeigte mir Gott, zu dem ich rief,
In der höchsten schrecklichen Noth,
Aus der Tiefe ragend ein Felsenriff,
Das erfaßt' ich behend und entrann dem Tod,
Und da hieng auch der Becher an spitzen Korallen,
Sonst wär' er ins Bodenlose gefallen.

19. Denn unter mir lag's noch, Bergetief,
In purpurner Finsterniß da,
Und ob's hier dem Ohre gleich ewig schlief,
Das Auge mit Schaudern hinunter sah,
Wie's von Salamandern und Molchen und Drachen
Sich {S}regt'{S regte} in dem furchtbaren Höllenrachen.

20. Schwarz wimmelten da, in grausem Gemisch,
Zu scheußlichen Klumpen geballt,
Der stachlichte Roche, der Klippenfisch,
Des Hammers greuliche Ungestalt,
Und dräuend wies mir die grimmigen Zähne
Der entsetzliche Hay, des Meeres Hyäne.

21. Und da hing ich und {S}war's mir{S war mir's} mit Grausen bewußt,
Von der menschlichen {S}Hülfe{S Hilfe} so weit,
Unter Larven die einzige fühlende Brust,
Allein in der gräßlichen Einsamkeit,
Tief unter dem Schall der menschlichen Rede
Bei den Ungeheuern der traurigen Oede.

22. Und schaudernd dacht ich's, da kroch's heran,
Regte hundert Gelenke zugleich,
Will schnappen nach mir, in des Schreckens Wahn
Laß ich los der Koralle umklammerten Zweig,
Gleich faßt mich der Strudel mit rasendem Toben,
Doch es war mir zum Heil, er riß mich nach oben.

23. Der König darob sich verwundert schier
Und spricht: Der Becher ist dein,
Und diesen Ring noch bestimm' ich dir,
Geschmückt mit dem köstlichsten Edelgestein,
Versuchst du's noch einmal und bringst mir Kunde,
Was du sahst auf des Meer's tief unterstem Grunde.

24. Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl,
Und mit schmeichelndem Munde sie fleht:
{S}Laßt{S Laß} Vater genug seyn das grausame Spiel,
Er hat euch bestanden, was keiner besteht,
Und könnt ihr des Herzens Gelüsten nicht zähmen,
So mögen die Ritter den Knappen beschämen.

25. Drauf der König greift nach dem Becher schnell,
In den Strudel ihn schleudert hinein,
Und schaffst du den Becher mir wieder zur Stell,
So sollst du der treflichste Ritter mir seyn,
Und sollst sie als Ehgemahl heut noch umarmen,
Die jetzt für dich bittet mit zartem Erbarmen.

26. Da ergreift's ihm die Seele mit Himmelsgewalt,
Und es blitzt aus den Augen ihm kühn,
Und er siehet erröthen die schöne Gestalt,
Und sieht sie erbleichen und sinken hin,
Da treibt's ihn, den köstlichen Preis zu erwerben,
Und stürzt hinunter auf Leben und Sterben.

27. Wohl hört man die Brandung, wohl kehrt sie zurück,
Sie verkündigt der donnernde Schall,
Da {S}bückt sich's{S bückt's sich} hinunter mit liebendem Blick,
Es kommen, es kommen die Wasser all,
Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder,
{S}Den{S Doch den} Jüngling bringt keines wieder.

Friedrich von Schiller
Ölgemälde ca. 1794 Ludovike Simanowiz
Wikimedia.org - Public domain

À propos du poème

Schiller verfasste sein Gedicht im Jahr 1797. Es erschien im selben Jahr.

Le poème Der Taucher par Friedrich von Schiller a été publié en l'année 1798 in Musen-Almanach für das Jahr 1798, herausgegeben von Schiller. Tübingen, in der J.G.Cottaischen Buchhandlung. Il se trouve à la page 119ff..

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Autres publications:

Gedichte von Friederich Schiller, Erster Theil. Zweite von neuem durchgesehene Auflage. Leipzig. bei Siegfried Lebrecht Crusius, 1804, page 129ff.

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À propos de la musique

Écrit: 5. Avril 1814
Publication (annoncée): 6. Juin 1831
Tonalité originale :  La   mineur
Type de chanson : composition continue
Tonalité enregistrée :  La   mineur
Résidence de Schubert 1814

Schubert und Schiller sind sich nie begegnet, denn Schubert war erst 8 Jahre und 3 Monate alt, als Schiller starb. Dennoch prägten die Ideale Schillers auf vielfältige Weise Schuberts Entwicklung zu einem genialen Tonsetzer und inspirierten ihn immer wieder zu Vertonungen.
Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Schubert fast 40 Texte von Schiller in Musik fasste. Dazu zählen die ersten uns bekannten Vertonungen ebenso wie einige der letzten, die er schrieb.
Zählt man alle Fragmente und Entwürfe zusammen, die heute laut Deutschverzeichnis bekannt sind, so kommt man auf nicht weniger als 77 Werke, die uns vorliegen. Die meisten entstanden in der Jugend Schuberts. Allein 66 Kompositionen in der Zeit zwischen 1811 und 1817. In dieser Zeit war Schubert zwischen 14 und 20 Jahre alt. Darunter finden sich so herrliche Stücke wie Gruppe aus dem Tartarus, Der Taucher, Sehnsucht, Die Götter Griechenlands oder Der Pilgrim.

Schubert schrieb am  31. März 1824 einen Brief an Leopold Kupelwieser, der zu dieser Zeit eine Reise nach Italien unternahm. Vielleicht entspringt das folgende Zitat aus diesem Brief der frühen Begeisterung Schuberts und seines Freundeskreises für Schillers Ideen zu ästhetischen Erziehung des Menschen.

Eine Schönheit soll den Menschen durch das ganze Leben begeistern – wahr ist es – doch soll der Schimmer dieser Begeisterung alles andere erhellen. 2.1

Die vorliegende Vertonung schrieb Schubert im Alter von 16 Jahren. Komponiert von 17. Sept. 1813 bis 5. April 1814 (1. Fassung; 2. Fassung beendet Anfang 1815)

Mit seiner gewaltigen 575 Takten in der ersten und sogar 605 Takten in der zweiten Fassung umfassenden Komposition zählt Der Taucher (D 77) zu Schuberts längsten Balladen – und wirkt dennoch erstaunlich kompakt: In unserer Aufnahme ist selbst die zweite, ausgedehntere Fassung allerdings noch rund 20 Sekunden kürzer als Adelwold und Emma (D 211). Dieses Lied, mit seinen insgesamt 608 Takten, ist Schuberts umfangreichste Liedkomposition überhaupt. Trotz der ähnlichen Länge im Notenbild entfaltet Adelwold und Emma eine breitere musikalische Erzählweise – und beansprucht in der Aufführung mehr Zeit und Atem als der dramatisch zugespitzte Taucher.

Situation de la source

Vous trouverez ici quelques informations sur les sources : Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Emplacement du manuscrit : Auktionskatalog Stargardt

La publication obtenue 1831 A. Diabelli & Co. in Wien | Numéro de l'éditeur 3709

Bei der Erstveröffentlichung verwendet Diabelli auch Teile aus der zweiten Fassung.
Wir haben die originale erste Fassung aufgenommen wie in der AGA abgedruckt

Partitions

Ancienne édition Schubert, série  XX, Vol. 01 № 12
Nouvelle édition Schubert  IV, Vol. 06
Édition Friedlaender  Bd. V » 15

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