Lyrics
heutige Schreibweise
Es schlug mein Herz; geschwind zu Pferde!
Es war getan fast eh' gedacht;
Der Abend wiegte schon die Erde
Und an den Bergen hing die Nacht:
Schon stand im Nebelkleid die Eiche
Ein aufgetürmter Riese da,
Wo Finsterniß aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsaus'ten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer;
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!
Dich [sah]1.1 ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz [an]1.2 deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich - Ihr Götter!
Ich hofft' es, ich verdient' es nicht!
Doch ach schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen, welche Wonne!
In deinem Auge, welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden,
Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!
1.1 Schubert Autograph & Erstdruck: "seh"
1.2 Schubert Autograph & Erstdruck: "auf"
About Lyrics
Willkommen und Abschied zählt zu den bekanntesten Gedichten Goethes. Es wurde zum ersten Mal 1775 veröffentlicht in der von Johann Georg Jacobi & Wilhelm Heinse herausgegeben IRIS. Literarischen Vierteljahrsschrift für Frauenzimmer. Dort findet es sich auf den Seiten 145ff. 2.1 Diese Zeitschrift galt in Deutschland als eine der bekanntesten ihrer Art. Zahlreiche bekannte Autoren veröffentlichten darin ihre Texte. Die Zeitschrift wurde bereits im Jahr 1778 wegen finanzieller Schwierigkeiten wieder eingestellt.
Das Gedicht steht hier in Zusammenhang mit weiteren Strophen und einigen Änderungen unter der Überschrift Neue Liebe, Neues Leben. Seinen heute bekannten Titel erhielt es erst in einer Ausgabe von 1810 s.u.

Johann Wolfgang von Goethe im 80. Lebensjahr
Joseph Karl Stieler