Interpreten: Peter Schöne - Bariton | Boris Cepeda - Klavier

Aufnahme: Dienstag, 09. Juni 2009 | Erfurt

Liedtext

Tod, du Schrecken der Natur!
Immer rieselt deine Uhr;
Die geschwungne Sense blinkt,
Gras und Halm und Blume sinkt.

Mähe nicht ohn' Unterschied
Dieses Blümchen, das erst blüht;
Dieses Röschen, erst halb roth;
Sey barmherzig, lieber Tod!

Nimm den holden Knaben nicht,
Der voll Unschuld im Gesicht
Mit der Brust der Mutter spielt,
Und sein erstes Leben fühlt.

Und den Jüngling schone mir,
Der am fühlenden Klavier
Goldne Saiten wiegt und schwingt,
Und ein Lied von Liebe singt.

Sieh, dort steht ein deutscher Held
In Kolumbens neuer Welt,
Der des Wilden Axt nicht scheut:
Tod! ach friste seine Zeit!

Schon' den Dichter, dessen Kraft,
Wie sein Schöpfer, Welten schafft,
Der in seinem Bildungskreis
Alles fromm zu machen weiß.

Tödte nicht die junge Braut,
Schön für ihren Mann gebaut,
Die, wie Sulamit gestimmt,
Liebe giebt, und Liebe nimmt.

Nicht den Frommen in dem Land,
Dessen hochgefaltne Hand,
Betend Gottes Himmel stützt,
Wenn er Rache niederblitzt.

Auch den Sünder tödte nicht;
Schreck ihn nur mit dem Gericht,
Daß er bang zusammenfährt,
Busse weint und sich bekehrt.

In der Fürsten goldnem Saal,
Lieber Tod, bist du zur Qual;
Schone sie, bis sie vom Wind
Eitler Größ' gesättigt sind.

Keinen Reichen tödte du;
Den Gesunden laß in Ruh!
Triffst du gute Leute an,
So verlängre ihre Bahn.

Aber mußt du tödten, Tod!
Ach! so thu's, wo dir die Noth
Aus zerfreßnen Augen winkt,
Und in Staub des Kerkers sinkt.

Wo mit jedem Morgen: Tod!
Wo mit jedem Abend: Tod!
Tod! um Mitternacht erschallt,
Daß die Schauerzelle hallt.

Tod, wann kommst du? Meine Lust!
Ziehst den Dolch aus meiner Brust;
Streifst die Fessel von der Hand,
Ach! wann deckst du mich mit Sand?

Diese Todtenstimme rufft
Aus so mancher Kerkergruft,
Wo der Gram verzweiflungsvoll
Ohne Hoffnung schmachten soll.

Drum, o Tod! wenn dirs gefällt,
Hol Gefangne aus der Welt;
Komm, vollende ihre Noth;
Sey barmherzig, lieber Tod!

Christian Friedrich Daniel Schubart
Ölgemälde von August Friedrich Ölenhainz
Wikimedia.org - Public domain

Zum Text

Christian Friedrich Daniel Schubart lebte in einer Zeit, in der Würtembergs Absolutismus seinen Höhepunkt erreichte. Der Dichter und Musiker selbst wurde 1777 Opfer von Umerziehungsmaßnahmen des regierenden Fürsten Karl Eugen. 10 Jahre, bis 1787 wurde er aufgrund seiner scharfen Kritik an Adel und Klerus gefangen gehalten. Schubarts aufklärerisches Gedankengut stand in klarem Gegensatz zum absolutistischen Bestreben Karl Eugens. Diese Gedanken der Aufklärung, setzten sich im 18. Jahrhundert jedoch in ganz Europa durch und führten Ende des 18. Jahrhunderts unter anderem zur französischen Revolution.

Das vorliegende Gedicht stammt aus dieser Kerkerzeit, und spiegelt die Verzweiflung wieder, die Schubart empfunden haben muss. -> Siehe auch Vorwort der folgenden Ausgabe.

Es wurde in Chr. Daniel Friedrich Schubarts Gedichte aus dem Kerker mit allerhöchst-gnädigst Kaiserl. Privilegio. Carlsruhe, bey Christian Gottlieb Schmieder 1785 veröffentlicht auf S. 195f.

Digitalisat online

Zur Musik

Komponiert: 1817
Veröffentlichung (angezeigt): 2. August 1824
Originaltonart:  H - Dur
Liedform: A-A-B
Aufnahmetonart:  H - Dur
Schuberts Wohnort 1817

Schubert vertonte insgesamt 4 Gedichte von Schubart. Darunter findet sich eines der bekanntesten Lieder Schubert Die Forelle D 550.

In den beiden Erstdrucken finden sich nur die Strophen 1 & 2.

Quellenlage

Informationen zur Quellenlage (Manuskripte etc.) finden Sie hier: Thematisches Verzeichnis von Otto Erich Deutsch

Die Veröffentlichung besorgte 1824 Verlag des Lithographischen Instituts, VN 5, Wien, als Beilage zur Wiener Allgemeinen musikalischen Zeitung vom 26. 6. 1824 in Wien als Nachlass - 17

Das "Lied an den Tod" erschien als Supplement der Wiener "Allgemeinen musikalischen Zeitung mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat".

In den 50 Heften der "Nachgelassenen musikalischen Dichtungen" Schubert, die Diabelli 1830 bis 1850 verlegte fand es sich in Heft 17 als Nr. 3.

Aus der Wiener "Allgemeinen musikalischen Zeitung" vom 29. Dezember 1824:

Nro. 5 Lied an den Tod von Franz Schubert. Der Verfasser zeigt in dem kleinen Lied seine Meisterschaft in der Harmonie.

d. R. [die Redaktion]

Zur Veröffentlichung

Deckblatt Nachlass 17 4.1
Deckblatt Wiener Zeitung 2. August 1824 4.2

Noten

Alte Gesamtausgabe, Serie  XX, Bd. 05 № 326
Neue Schubert-Ausgabe  IV, Bd. 05
Friedlaender Edition  Bd. 5 » 84
Bärenreiter Urtext Edition  Bd. 4 » 54

Originalversion des Liedes PDF Thumbnail Erstdruck PDF Thumbnail Erstdruck PDF Thumbnail
Zurück zu den Liedern