Komponist: Franz Schubert (1797-1828) Textdichter: Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Wir empfehlen Ihnen, die Lieder mit einem Kopfhörer anzuhören!

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Interpreten: Peter Schöne - Bariton / Boris Cepeda - Piano
Aufnahme: Freitag, 18. Juli 2008 - Berlin

Liedtext

heutige Schreibweise

Nur wer die Sehnsucht kennt
Weiß, was ich leide!
Allein und abgetrennt
Von aller Freude,
Seh ich [ans]1 Firmament
Nach jener Seite.

Ach! der mich liebt und kennt,
Ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt
Mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt
Weiß, was ich leide!

1 Schubert: "am"

Zum Text

Das Lied der Mignon Nur wer die Sehnsucht kennt stammt, ebenso wie die Figur Mignon selbst aus Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre. Es findet sich in der Erstausgabe auf den Seiten 265-266 im 11. Kapitel des vierten Buches von Band 2. Die Erstausgabe kann online studiert werden. Als Einlage liegt dieser Veröffentlichung eine Komposition von Johann Friedrich Reichardt bei, den Goethe sehr schätzte. Sie ist zweistimmung und mit Diskant und Bass zu singen. 2
Der Band enthält extra eine Anweisung an den Buchbinder, wie diese Noten einzuheften sind:

Nachricht an den Buchbinder. Die von dem Hrn. Capellmeiſter Reichard componirten Lieder werden ſo eingeheftet, daß man ſie von der Rechten zur Linken aufſchlägt:
Zu Seite 7. Kennſt du das Land, Zu S. 265. Nur wer die Sehnſucht kennt

Folgende Texte aus Goethes Buch Wilhelm Meisters Lehrjahre wurden von Schubert vertont:

Band 1, 2. Buch, Kap. XI
Der Sänger D.149
Band 1, 2. Buch, Kap. XIII
Wer nie sein Brot mit Tränen aß D.478/2
Band 1, 2. Buch, Kap. XIII
Wer sich der Einsamkeit ergibt D.325, D.478/1
Band 2, 3. Buch, Kap. I
Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn D. 321
Band 2, 4. Buch, Kap. XI
Nur wer die Sehnsucht kennt D.310, D.359, D.481, D.656 (Quintett), D.877/1 (Duett), D.877/4
Band 3, 5. Buch, Kap. XIV
An die Türen will ich schleichen D.478/3
Band 3, 5. Buch, Kap. XVI
Heiß mich nicht reden, heiß mich schweigen D.726, D877/2
Band 4, 8. Buch, Kap. II
So laßt mich scheinen, bis ich werde D.469, D.727, 877/3

Textbild
Friedrich Wilhelm Schadow - Mignon 1828

Zur Musik

komponiert: Januar 1826

Veröffentlichung (angezeigt): 02. März 1827

Originaltonart: a-Moll

Liedform: A-B-A'

Besonderheiten:

Das Verhältnis zwischen Schubert und Goethe war ambivalent. Während Schubert den 48 Jahre älteren Meister verehrte, hat Letzterer ihn kaum beachtet. Obwohl Goethe einige seiner vertonten Gedichte durch eine Sendung Joseph von Spauns erhielt, gelang es Schubert nicht, mit seinen Kompositionen bis zu Goethe durchzudringen. Zu fremd waren den Ohren des alten Meisters der Klassik die neuen Klänge. 3.1
1830, zwei Jahre nach Schuberts Tod, soll Goethe den Erlkönig, gesungen von Wilhelmine Schröder-Devrient gehört haben. Ob ihm tatsächlich die Komposition, oder das junge Mädchen gefallen hat, bleibt dahingestellt. 3.2

Schubert vertonte 62 Texte von Goethe, manche sogar mehrmals. Am Ende liegen uns heute fast 80 Kompositionen vor. Viele davon sind Lieder. Einige für mehrere Stimmen und Instrumente.

Der Anfang des hier aufgenommenen Liedes der Mignon Nur wer die Sehnsucht kennt wurde von Schubert schon einmal verwendet beim Lied Ins stille Land D. 403.

Schubert war gerade 29 Jahre alt, als er dieses Lied schrieb.

Zur Veröffentlichung

Zur Quellenlage (Manuskripte etc.) kann man sich im thematischen Verzeichnis von O.E.Deutsch informieren.

Das Manuskript zu diesem Lied liegt als Digitalisat online verfügbar in der Wienbibliothek im Rathaus der Stadt Wien.
Ein Autograph dieses Liedes liegt in der Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek.

Die Veröffentlichung besorgte A. Diabelli und Comp. als op. 62: 3

Gesänge aus Wilhelm Meister von Göthe mit Begleitung des Pianoforte

Nr. 1 Duett Mignon u.d. Harfner (Nur wer die Sehnsucht kennt) D.877/1
Nr. 2 Lied der Mignon (So laßt mich scheinen, bis ich werde) D.877/2
Nr. 3 Lied der Mignon (Heiß mich nicht reden, heiß mich schweigen) D.877/3
Nr. 4 Lied der Mignon (Nur wer die Sehnsucht kennt) D.877/4

In Musik gesetzt und der Fürstin Mathilde zu Schwarzenberg ehrfurchtsvoll zugeeignet von Franz Schubert

Deckblatt op 62

Aus der amtlichen Wiener Zeitung vom 2. März 1827:

Wiener Zeitung 1827 03 02

Noten

Alte Gesamtausgabe Serie XX, Bd. 08, Nr. 488

Neue Gesamtausgabe IV, Bd. 03

Friedländer Bd. I » 214

Bärenreiter Urtext II » 150

Link zum Manuskript
schubertmanu

Originalversion des Liedes

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Quelle(n)

2 Deutsches Textarchiv, Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

3.1 Gülke, Peter: Goethes »Versäumnisse«, in: Blog Klassik Stiftung Weimar, 08. September 2015

3.2 Windmeißer, Renate: Neue Chance für Schubert, in: BR Klassik, Was heute geschah, 24. April 2018

3 Österreichische Nationalbibliothek - Digitalisierte Sammlungen, Ant. Diabelli & Comp. Wien, Erstdruck op. 62, 1827, Sig. SH.Schubert.253

4 Wiener Zeitung vom 02. März 1827, S.4

Deutsch, Otto Erich. Franz Schubert: Thematisches Verzeichnis seiner Werke in chronologischer Folge, Bärenreiter 1967, S.553

Noten-Quelle auf imslp.org o.ä.: Lied der Mignon.pdf

Textquelle und alternative Kompositionen: www.lieder.net

Geschrieben von: Peter Schöne