Liedtext
heutige Schreibweise
Ich schieß' den Hirsch im [dunklen]1.1 Forst,
Im stillen Thal das Reh,
Den Adler [in]1.2 dem Klippenhorst,
Die Ente auf dem See.
Kein Ort, der Schutz gewähren kann,
Wenn meine Flinte zielt;
Und dennoch hab' ich harter Mann
Die Liebe auch gefühlt! -
Hab oft hantirt in rauher Zeit,
In Sturm und Winternacht,
Und übereist und eingeschneit
Zum Bett den Stein gemacht.
Auf Dornen schlief ich wie auf Flaum,
Vom Nordwind ungerührt,
Doch hat der Liebe zarten Traum
Die rauhe Brust gespürt.
Der wilde Falk war mein Gesell,
Der Wolf mein [Kampfgespann]1.3;
[Es fing der]1.4 Tag mit Hundgebell,
Die Nacht mit Hussa an.
Ein Tannreis war die Blumenzier
Auf schweißbeflecktem Hut,
Und dennoch schlug die Liebe mir
Ins wilde Jägerblut.
O Schäfer auf dem weichen Moos,
Der du mit [Blüthen]1.5 spielst,
Wer weiß, ob du so heiß, so groß
Wie ich die Liebe fühlst.
Allnächtlich überm schwarzen Wald,
Vom Mondenschein umstrahlt,
Schwebt [königsgroß]1.6 die Lichtgestalt,
Wie sie kein Meister malt.
Wenn sie dann auf mich niedersieht,
Wenn mich [der]1.7 Blick durchglüht,
[Dann weiß]1.8 ich, wie dem Wild geschieht,
Das vor dem Rohre flieht.
[Und doch!]1.9 mit allem Glück vereint
Das nur auf Erden ist;
[Als]1.10 wenn der allerbeste Freund
Mich in die Arme schließt.
1.1 Schubert: "grünen"; Finsterbusch: "wilden"
1.2 Schubert: "auf"
1.3 Schubert (Alte Gesamtausgabe): "Kampfgespan"
1.4 Schubert (Alte Gesamtausgabe): "Mir fing der"; Schubert (Neue Gesamtausgabe): "Ich fing den"
1.5 Schubert: "Blumen"
1.6 Schubert: "königshehr"
1.7 Schubert: "ihr"
1.8 Schober (1865 Edition): "Dann fühl'"; Schubert: "Da weiß"
1.9 Schober (1865 Edition): "Ich fühl's"
1.10 Schober (1865 Edition): "Wie"
Zum Text
Franz Schubert und Franz von Schober waren innigst miteinander befreundet. Sie wohnten ab 1818 mit einigen Unterbrechungen zusammen in Schobers Wohnung Tuchlauben 20, Landskrongasse 5 im ersten Wiener Bezirk (Ansicht vor 1905). Schober war mit vielen künstlerischen Persönlichkeiten bekannt und trug viel dazu bei, dass sich Schuberts Werk zu seinen Lebzeiten und darüber hinaus verbreitete.
Eine Ausgabe mit Gedichten Franz von Schobers erschien erst 1842 nach dem Tod von Franz Schubert bei der Cotta’schen Buchhandlung Tübingen. Ein Digitalisat dieser Ausgabe ist auf den Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek online verfügbar. Das Gedicht steht dort auf S. 30 unter dem Titel Jägers Liebeslied. 2.1

Franz von Schober