Liedtext
heutige Schreibweise
Als ich still und ruhig spann,
Ohne nur zu stocken,
Trat ein schöner junger Mann
Nahe mir zum Rocken.
Lobte, was zu loben war,
Sollte das was schaden?
Mein dem Flachse gleiches Haar,
Und den gleichen Faden.
Ruhig war er nicht dabei
Ließ es nicht beim Alten;
Und der Faden riß entzwei,
Den ich lang' erhalten.
Und des Flachses Stein-Gewicht
Gab noch viele Zahlen;
Aber, ach ich konnte nicht
Mehr mit ihnen prahlen.
Als ich sie zum Weber trug
Fühlt' ich was sich regen,
Und mein armes Herze schlug
Mit geschwindern Schlägen.
Nun, beim heißen Sonnenstich,
Bring' ich's auf die Bleiche,
Und mit Mühe bück' ich mich
Nach dem nächsten Teiche.
Was ich in dem Kämmerlein
Still und fein gesponnen,
Kommt - wie kann es anders sein? -
Endlich an die Sonnen.
Zum Text
Das Gedicht Die Spinnerin schrieb Goethe etwa 1795. Es wurde 1800 in Göthe's neue Schriften beim Verlag Unger, Berlin veröffentlicht. Dort findet es sich auf Seite 63-64. Ein Digitalisat dieser Veröffentlichung findet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek im Münchener Digitalisierungszentrum. Es kann online recherchiert werden. 2.1