Liedtext
heutige Schreibweise
In einem Bächlein helle,
Da schoß in froher Eil
Die [launige]1 Forelle
Vorüber wie ein Pfeil.
Ich stand an dem Gestade
Und sah in süßer Ruh
Des muntern [Fisches]2 Bade
Im klaren Bächlein zu.
Ein Fischer mit der Rute
Wohl an dem Ufer stand,
Und sah's mit kaltem Blute,
Wie sich das Fischlein wand.
So lang dem Wasser Helle,
So dacht ich, nicht gebricht,
So fängt er die Forelle
Mit seiner Angel nicht.
Doch [plötzlich]3 ward dem Diebe
Die Zeit zu lang. Er macht
Das Bächlein tückisch trübe,
Und eh ich es gedacht,
So zuckte seine Rute,
Das Fischlein zappelt dran,
Und ich mit regem Blute
Sah die Betrogene an.
1 "launische"
2 "Fischleins"
3 "endlich"
Zum Text
Christian Friedrich Daniel Schubart lebte in einer Zeit, in der Würtembergs Absolutismus seinen Höhepunkt erreichte. Der Dichter und Musiker selbst wurde 1777 Opfer von Umerziehungsmaßnahmen des regierenden Fürsten Karl Eugen. 10 Jahre, bis 1787 wurde er aufgrund seiner scharfen Kritik an Adel und Klerus gefangen gehalten. Schubarts aufklärerisches Gedankengut stand in klarem Gegensatz zum absolutistischen Bestreben Karl Eugens. Diese Gedanken der Aufklärung, setzten sich im 18. Jahrhundert jedoch in ganz Europa durch und führten Ende des 18. Jahrhunderts unter anderem zur französischen Revolution.
Da das Gedicht 1783 im "schwäbischen Musenalmanach" erschien, muss Schubart es während seiner Gefangenschaft auf der Festung Hohenasperg geschrieben haben.
Vor diesem geschichtlichen Hintergrund erscheint eine Interpretation des Deutschlehrers Hartmut Riedel sehr interessant. Er sieht neben der ersten Bedeutungsebene (Fisch und Angler) und der zweiten (Mädchen und Männer) noch eine dritte, politische Deutungsmöglichkeit.
Besonders das Wort "Helle" im Gedicht bekommt seiner Meinung nach eine neue Dimension, die unzweifelhaft mit der Aufklärung verknüpft ist. Der Fischer ist im übertragenen Sinne der Feind der Aufklärung. Seine List, den Fisch durch Trübung des Wassers zu fangen, hatte Schubart am eigenen Leib erfahren, denn er war mithilfe eines Spitzels nach Blaubeuren gelockt worden, damit man ihn auf würtembergischem Territorium gefangen nehmen konnte. 4

August Friedrich Oelenhainz - Schubart