Liedtext
Ich lag auf grünen Matten,
An klarer Quellen Rand.
Mir kühlten Erlenschatten
Der Wangen heißen Brand
Ich dachte dies und jenes,
Und träumte sanftbetrübt
Viel Gutes und viel Schönes,
Das diese Welt nicht gibt.
Und sieh dem Hain entschwebte
Ein Mägdlein sonnenklar.
Ein weisser Schleier webte
Um ihr nußbraunes Haar.
Ihr Auge feucht und schimmernd
Umfloß ätherisch Blau.
Die Wimpern nässte flimmernd
Der Wehmut Perlentau.
Ein traurig Lächeln schwebte
Um ihren süßen Mund.
Sie schauerte, sie bebte.
Ihr Auge tränenwund,
Ihr Hinschaun liebesehnend,
So wähnt' ich, suchte mich.
Wer war wie ich so wähnend,
So selig wer, wie ich!
Ich auf sie zu umfassen –
Und ach! sie trat zurück.
Ich sah sie schnell erblassen,
Und trüber ward ihr Blick.
Sie sah mich an so innig,
Sie wies mit ihrer Hand,
Erhaben und tiefsinnig
Gen Himmel, und verschwand.
Fahr wohl, fahr wohl, Erscheinung!
Fahr wohl! Dich kenn' ich wohl!
Und deines Winkes Meinung
Versteh' ich, wie ich soll! –
Wohl für die Zeit geschieden
Eint uns ein schön'res Band.
Hoch droben, nicht hienieden,
Hat Lieb' ihr Vaterland.
Ich lag auf grünen Matten,
An klarer Bächlein Rand.
Mir kühlten Tannenschatten
Der Wangen heissen Brand.
Ich dachte dis und jenes,
Und träumte sanftbetrübt
Viel Süsses mir und Schönes,
Das diese Welt nicht gibt.
Und sieh! dem Hain entschwebte
Ein Mägdlein sonnenklar.
Ein weisser Schleier webte
Um ihr nußbraunes Haar.
In Ihren Augen glühte
Das reinste Himmelblau
Auf ihren Wangen blühte
Die hellste Rosenau!
Um ihre Lippen schwebte
Ein Lächeln hold und gut.
An ihren Wimpern bebte
Die Perl' der Wehemut.
Ihr Auge mild' und thränend
So wähnt' ich, meinte mich –
Wer war, wie ich, so wähnend?
So selig wer, wie ich?
Ich auf, sie zu umfassen –
Und ach! sie wich zurük.
Ich sah sie jäh erblassen,
Und dunkler ward ihr Blik.
Sie sah mich an so innig,
Sie wies mit ihrer Hand,
Still, tief und edelsinnig
Gen Himmel, und verschwand.
Fahr wol, fahr wol, Erscheinung!
Fahr wol, dich kenn' ich wol!
Und deines Winkes Meinung
Versteh' ich, wie ich soll! –
"Kein Lieben und kein Loben
"Verdient der Erde Tand.
"Nur droben stralt, nur droben
"Der Liebe Vaterland."
Ich lag auf grünen Matten,
Am klaren Quellen Rand.
Mir kühlten Erlenschatten
Der Wangen heisse Gluth.
Ich dachte diess und jennes,
Und träumte sanft betrübt
Viel Gutes und viel Schönes,
Was diese Welt nicht gibt.
Und sieh dem Hain entschwebte
Ein Mägdlein sonnenklar.
Ein weisser Schleyer webte
Um ihr nussbraunes Haar.
Ihr Auge feucht und schimmernd
Umfloß ätherisch Blau.
Die Wimper fasste flimmernd
Der Wehmut Perlenthau.
Ein traurig Lächeln schwebte
Um ihren süssen Mund;
Sie schauerte sie bebte
Ihr Auge thränend wund,
Ihr Hinschaun liebesehnend
Sie, wähnt' ich, suchte mich –
Wer war wie ich so wähnend?
So seelig wer, wie ich?
Ich auf sie zu umfassen –
Und ach! sie trat zurück.
Ich sah sie schnell erblassen,
Und trüber ward ihr Blick.
Sie sah mich an so innig,
Sie wies mit ihrer Hand,
Beteutend und tiefsinnig
Gen Himmel und vershwand.
Fahr wohl! fahr wohl Erscheinung!
Fahr wohl dich kenn ich wohl!
Und deines Winkes Meinung
Versteh ich wie ich soll! –
Wohl für die Zeit geschieden
Knüpft uns ein schönres Band;
Hoch oben nicht hienieden
Hat Lieb ihr Vaterland!
Zum Text
Der Pfarrer Ludwig Gotthard Kosegarten schrieb sein Gedicht Die Erscheinung in "Kiesow, im Sommermond 1787".
Es wurde in Gedichte von Ludwig Theobul Kosegarten, Band 2 beim Verlag Ernst Martin Gräff, 1788 in Leipzig veröffentlicht. S. 225ff.
▪ Digitalisat auf books.google.com
Weitere Ausgaben des Gedichtes:
1798 Poesieen(sic!) Band 2, bei Heinrich Gräff, Leipzig, S. 63ff.
▪ Digitalisat im Münchener Digitalisierungszentrum
1803 Poesieen(sic!) Band 2, Neueste Auflage, Berlin, S. 196ff.
▪ Digitalisat auf books.google.com