Liedtext
heutige Schreibweise
Dort blinket durch Weiden
Und winket ein Schimmer
Blaßstrahlig vom Zimmer
Der Holden mir zu.
Es gaukelt wie Irrlicht
Und schaukelt sich leise,
Sein Abglanz im Kreise
Des schwankenden Sees.
Ich schaue mit Sehnen
Ins Blaue der Wellen
Und grüße den hellen,
Gespiegelten Strahl.
Und springe zum Ruder
Und schwinge den Nachen
Dahin auf den flachen,
Krystallenen Weg.
Fein Liebchen schleicht traulich
Vom Stübchen herunter
Und sputet sich munter
Zu mir in das Boot.
Gelinde dann treiben
Die Winde uns wieder
See-einwärts zum Flieder
Des Ufers hin dann.
Die blassen Nachtnebel
Umfassen mit Hüllen
Vor Spähern den stillen,
Unschuldigen Scherz.
Und tauschen wir Küsse
So rauschen die Wellen,
Im Sinken und Schwellen
Den Horchern zum Trotz.
Nur Sterne belauschen
Uns ferne, und baden
Tief unter den Pfaden
Des gleitenden Kahns.
So schweben wir selig
Umgeben vom Dunkel,
Hoch überm Gefunkel
Der Sterne einher.
Und weinen und lächeln,
Und meinen enthoben
Der Erde schon oben,
Schon drüben zu sein.
Zum Text
Das 1821 geschriebene Gedicht wurde 1825 bei Sollinger in Wien veröffentlicht. Es findet sich auf Seite 110ff. des von Leitner selbst herausgegebenen Gedichtbandes. Ein Digitalisat der Printausgabe kann online studiert werden.
Leitner und Schubert sind sich nie begegnet, wie Leitner selbst bezeugte.
Heinrich Kreissle von Hellborn schreibt in seinen biografischen Notizen zu Franz Schubert:
Auch der Dichter Gottfried Ritter von Leitner, der um das Jahr 1825 in die Familie eingeführt worden war, gehörte dem auserlesenen Kreise an, von welchem sich diese fortan umgeben sah, und jene von seinen Gedichten, welche Schubert in den Jahren 1827 und 1828 in Musik setzte, waren diesem von Frau Marie Pachler zur Composition empfohlen worden. 3
Allerdings schreibt Leitner selbst am 28. März 1858 an Ferdinand Luib:
Leider kann ich den in Ihrem verehrten Schreiben vom 17. d. M. ausgesprochenen Wünschen nicht in vollem Umfange entsprechen; denn mein Freund Dr. Faust Pachler hat sich in meinen Beziehungen zu Schubert geirrt, indem dieser während meiner zufälligen Abwesenheit von Graz hier auf Besuch war, und ich ihn überhaupt nie persönlich kennen lernte. 4
Und an Heinrich Schubert schreibt er am 24. Dezember 1881:
... Ich erlaube mir, in bezug auf mein Verhältnis zu Franz Schubert einen Irrtum zu berichtigen, der sich in einigen Biographien Ihres berühmten Verwandten eingeschlichen hat, und den Sie auch zu theilen scheinen. Ich habe nämlich leider nicht die Ehre genossen, ihn zu meinen persönlichen Bekannten zählen zu dürfen. Unsere küsntlerischen Beziehungen wurden immer nur durch andere vermittelt. ...
und weiter:
... aber Dr. Pachlers kunstsinnige Gemahlin, Marie Pachler, eine Virtuosin auf dem Pianoforte ... machte Schubert auf die im Sommer 1825 erschienene erste Auflage meiner Gedichte aufmerksam und verehrte ihm ein Exemplar dieses kleinen Bändchens. 5

Leitner 1857