Liedtext
heutige Schreibweise
Ein Münich steht in seiner Zell'
Am Fenstergitter grau,
Viel Rittersleut in Waffen hell,
Die reiten durch die Au.
Sie singen Lieder frommer Art
In schönem, ernsten Chor,
Inmitten fliegt, von Seide zart,
Die Kreuzesfahn' empor.
Sie steigen an dem Seegestad
Das hohe Schiff hinan.
Es läuft hinweg auf grünem Pfad,
Ist bald nur wie ein Schwan.
Der Münich steht am Fenster noch,
Schaut ihnen nach hinaus:
"Ich bin, wie ihr, ein Pilger doch,
Und bleib ich gleich zu Haus.
Des Lebens Fahrt durch Wellentrug
Und heißen Wüstensand,
Es ist ja auch ein Kreuzeszug
In das gelobte Land."
Zum Text
Das 1824 geschriebene Gedicht wurde 1825 bei Sollinger in Wien veröffentlicht. Es findet sich auf Seite 30 des von Leitner selbst herausgegeben Gedichtbandes. Ein Digitalisat der Printausgabe kann online studiert werden.
Leitner und Schubert sind sich nie begegnet, wie Leitner selbst bezeugte.
Heinrich Kreissle von Hellborn schreibt in seinen biografischen Notizen zu Franz Schubert:
Auch der Dichter Gottfried Ritter von Leitner, der um das Jahr 1825 in die Familie eingeführt worden war, gehörte dem auserlesenen Kreise an, von welchem sich diese fortan umgeben sah, und jene von seinen Gedichten, welche Schubert in den Jahren 1827 und 1828 in Musik setzte, waren diesem von Frau Marie Pachler zur Composition empfohlen worden. 3
Allerdings schreibt Leitner selbst am 28. März 1858 an Ferdinand Luib:
Leider kann ich den in Ihrem verehrten Schreiben vom 17. d. M. ausgesprochenen Wünschen nicht in vollem Umfange entsprechen; denn mein Freund Dr. Faust Pachler hat sich in meinen Beziehungen zu Schubert geirrt, indem dieser während meiner zufälligen Abwesenheit von Graz hier auf Besuch war, und ich ihn überhaupt nie persönlich kennen lernte. 4
Und an Heinrich Schubert schreibt er am 24. Dezember 1881:
... Ich erlaube mir, in bezug auf mein Verhältnis zu Franz Schubert einen Irrtum zu berichtigen, der sich in einigen Biographien Ihres berühmten Verwandten eingeschlichen hat, und den Sie auch zu theilen scheinen. Ich habe nämlich leider nicht die Ehre genossen, ihn zu meinen persönlichen Bekannten zählen zu dürfen. Unsere küsntlerischen Beziehungen wurden immer nur durch andere vermittelt. ...
und weiter:
... aber Dr. Pachlers kunstsinnige Gemahlin, Marie Pachler, eine Virtuosin auf dem Pianoforte ... machte Schubert auf die im Sommer 1825 erschienene erste Auflage meiner Gedichte aufmerksam und verehrte ihm ein Exemplar dieses kleinen Bändchens. 5

Leitner 1857