Es war ein König in Thule, Gar treu bis an das Grab, Dem sterbend seine Buhle Einen goldnen Becher gab.
Es ging ihm nichts darüber, Er leert' ihn jeden Schmaus; Die Augen gingen ihm über, So oft er trank daraus.
Und als er kam zu sterben, Zählt' er seine Städt' im Reich, Gönnt' alles seinem Erben, Den Becher nicht zugleich.
Er saß beim Königsmahle, Die Ritter um ihn her, Auf hohem Vätersaale, Dort auf dem Schloß am Meer.
Dort stand der alte Zecher, Trank letzte Lebensglut, Und warf den heil'gen Becher Hinunter in die Flut.
Er sah ihn stürzen, trinken Und sinken tief ins Meer. Die Augen täten ihm sinken Trank nie einen Tropfen mehr.
Zum Text
Goethes Gedicht Der König in Thule aus dem Jahr 1774 stammt aus der Tragödie Faust und wird von der Figur Gretchen gesungen, "indem sie sich auszieht". Über den Faust. Eine Tragödie kann man sich erschöpfend bei Wikipedia informieren. Er entstand in den Jahren 1770-1788. Die Erstausgabe stammt aus dem Jahr 1808 und ist in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar als Digitalisat online abrufbar. Die vertonte Szene steht auf den Seiten 177f. Das Gedicht steht bereits im Urfaust auf S. 94f., der 1790 zum ersten Mal gedruckt erschien. Ein Digitalisat dieses Erstdrucks findet sich ebenfalls in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar und kann online abgerufen werden. 2.1
Der König in Thule, Kupferstich aus Die Gartenlaube 1899
Zur Musik
komponiert:
1816
Veröffentlichung (angezeigt):
09. Juli 1821
Originaltonart: d-Moll
Liedform: Strophenlied
Besonderheiten:
Das Verhältnis zwischen Schubert und Goethe war ambivalent. Während Schubert den 47 Jahre älteren Meister verehrte, hat Letzterer ihn kaum beachtet. Obwohl Goethe einige von Schuberts vertonten Gedichte durch eine Sendung Joseph von Spauns erhielt, gelang es dem Jüngeren nicht, mit seinen Kompositionen bis zu Goethe durchzudringen. Zu fremd waren den Ohren des alten Meisters der Klassik die neuen Klänge. 3.1 1830, zwei Jahre nach Schuberts Tod, soll Goethe den Erlkönig, gesungen von Wilhelmine Schröder-Devrient gehört haben. Ob ihm tatsächlich die Komposition, oder das junge Mädchen gefallen hat, bleibt dahingestellt. 3.2
Schubert vertonte 62 Texte von Goethe, manche sogar mehrmals. Am Ende liegen uns heute fast 80 Kompositionen vor. Viele davon sind Lieder. Einige für mehrere Stimmen und Instrumente.
Aus Goethes Faust vertonte Schubert folgende Gedichte:
Schubert schrieb Der König in Thule im Alter von 19 Jahren. Er unterlegte seine Komposition mit drei der sechs Strophen. Wir haben uns an diese Vorgabe gehalten und haben diese drei Strophen aufgenommen.
Zur Veröffentlichung
Zur Quellenlage (Manuskripte etc.) kann man sich im thematischen Verzeichnis von O.E.Deutsch informieren.
Für eine Singstimme mit Begleitung des Piano-Forte in Musik gesetzt und dem Wohlgebronen Herrn Anton Salieri k.k. ersten Hofkapellmeister, Inhaber der großen goldenen Civil Ehrenmedaille, Ritter der königl. französischen Ehrenlegion, Vicepräses der Wittwen und Waisengesellschaft der Tonkünstler in Wien, Mitglied des französ. National Instituts, und des musikal. Conservatoriums in Paris, dann der kön. schwedischen musikal. Gesellschaft in Stockholm hochachtungsvoll gewidmet von Franz Schubert.
Aus der amtlichen Wiener Zeitung vom 09. Juli 1821 4.2
"Bey Cappi und Diabelli, Kunst- und Musikhändler, Am Graben 1133 ist neu erschienen und zu haben: Rastlose Liebe, Nähe des Geliebten, der Fischer, erster Verlust, und der König in Thule. Gedichte von Goethe. Für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte in Musik gesetzt von Franz Schubert. Fünftes Werk. Preis 1fl. 30kr. W.W. Die Compositionen dieses Tonsetzers bedürfen keiner Anempfehlung, da sich ihr innerer Werth zu klar ausspricht, als daß ihn nicht jeder Kunstliebhaber fühlen, jeder Kenner unbedingt anerkennen müßte. Goethe's Meisterdichtungen dürften schwerlich auf würdigere Art in Töne gesetzt werden können, als es in den vorliegenden, mit Sorgfalt ausgewählten und zusammengestellten Compositionen geschehen ist."