Liedtext
heutige Schreibweise
Jüngst träumte mir, ich sah auf lichten Höhen
Ein Mädchen sich im jungen Tag ergehen,
So hold, so süß, daß es dir völlig glich.
Und vor ihr lag ein Jüngling auf den Knien,
Er schien sie sanft an seine Brust zu ziehen,
Und das war ich!
Doch bald verändert hatte sich die Szene.
In tiefen Fluten sah ich jetzt die Schöne,
Wie ihr die letzte schwache Kraft entwich.
Da kam ein Jüngling hülfreich ihr geflogen,
Er sprang ihr nach, und trug sie aus den Wogen,
Und das war ich!
So malte sich der Traum in bunten Zügen,
Und überall sah' ich die Liebe siegen,
Und alles, alles drehte sich um Dich!
Du flogst voran in ungebund'ner Freie,
Der Jüngling zog dir nach mit stiller Treue,
Und das war ich!
Und als ich endlich aus dem Traum erwachte,
Der neue Tag die neue Sehnsucht brachte,
Da blieb Dein liebes, süßes Bild um mich.
Ich sah Dich von der Küsse Glut erwarmen,
Ich sah Dich selig in des Jünglings Armen,
Und das war ich!
Da trat'st Du endlich auf des Lebens Wegen
Mit holder Anmut freundlich mir entgegen,
Und tiefe, heiße Sehnsucht faßte mich.
Sah'st Du den Jüngling nicht mit trunknen Blicken?
Es schlug sein Herz im seligen Entzücken!
Und das war ich!
Du zogst mich in den Kreis des höhern Lebens,
In Dir vermählt sich alle Kraft des Strebens,
Und alle meine Wünsche rufen Dich.
Hat einer einst Dein Herz davon getragen,
Dürft' ich nur dann mit lautem Munde sagen:
Ja, das war ich!
Zum Text
Theodor Körners Gedicht Das war ich erschien erstmals 1810 in seinem Gedichtband Knospen.
Weitere Ausgaben seiner Gedichte:

Dora Stock
Theodor Körner 1814